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II. Die Festtage —
„suchen hatte daher der erste Vorsitzende des Gesamtausschusses
die Güte, für einen andern Festredner dieses Abends Sorge
zu tragen, und ich danke es dem Herrn Franz Dittmar, daß
er durch so späte Übernahme der ursprünglich mir zugedachten
Aufgabe mich von einer Besorgnis befreit hat, die sich zuletzt
als überflüssig erwies.
Wenn ich nun dennoch zu Ihnen einiges in diesem
Saale spreche, so werden Sie schon aus dem erwähnten Um—
stand entnehmen können, daß Sie keinen ausgearbeiteten Vor—
trag zu erwarten haben. Und nachdem Sie schon mehrere
gehaltvolle Reden an diesem Tage und noch an diesem Abend
gehört haben, kann ich mich um so kürzer fassen. Ja, ich selbst
habe über den merkwürdigen Mann, den wir feiern, im Laufe
vieler Jahre schon so viel geschrieben und auch gesprochen (in
meinen vor Jahren gehaltenen Vorträgen), daß mir zu thun
fast nichts mehr übrig bleibt.
Hans Sachs, den wir wegen seiner Geistesgaben und
seines Fleißes bewundern, wegen seines makellosen Charakters
lieben, bietet ja auch als Dichter keine geheimnisvollen Tiefen
gleich andern und größern Dichtern. Was er empfand, was
er dachte und wollte, das ist bei ihm alles klar ausgesprochen,
so daß man von ihm nicht behaupten köunte, er sei für die
literarisch-ästhetische Forschung unerschöpflich. Aber aus allen
seinen Dichtungen — und es sind deren, wie Sie wissen, erstaun—
lich viele — tritt uns eines immer wieder entgegen, das uns
ihn lieb macht: die Klarheit und Gesundheit seines Geistes
wie die Reinheit seines Herzens. Ich gestehe deshalb ohne
weiteres, daß mir in Hans Sachs der Mensch viel höher
steht als der Dichter. Wohl aber spricht es auch wieder
für den letzteren, daß wir aus dem Dichter immer den Menschen
kennen lernen, lieben und würdigen.“ Wie in seiner freund—
lichen Milde, in seinem tiefen Gefühl für Recht, Ordnung
und Gesetz, zeigt sich der reine Mensch bei ihm in der Art
seiner echten und wahrhaften Frömmigkeit, die ihn so recht“