Demoiselle Duroe: Wie? Er konnte nicht einmal
reden? Als ein Knabe von sechzehn Jahren verstand er
noch nicht die Sprache der Menschen?
Vollmer: So hilflos fand man ihn in der That.
So trat er plötzlich auf den Marktplatz von Nürnberg
wie ein Fremdling aus einer andern Welt.
Frau von Albersdorf: In Wahrheit aber weit be—
klagenswerter — aus dem Kerker seiner Kindheit.
Demoiselle Duroe: Ja, ich weiß, er wurde gefangen
gehalten, einsam in einer Kammer unter der Erde seit seiner
frühesten Jugend. — Auf welche Weise aber hat man dies
erfahren?
Vollmer: Die Erinnerung ist ihm geblieben. Später,
als er den Ausdruck dafür gefunden — denn wie ein Kind
lernte er, ganz nach den Regeln der Laut- und Sprach—
zesetze allmählich reden — da erzählte er es, brockenweise;
und eben dieser Mann, der unerkennbar um ihn gewesen
und ihn bisher versorgt, habe ihn auch, da er doch kaum
stehen und gehen konnte, zur Nachtzeit davon getragen, in
die Nähe der großen Stadt.
Demoiselle Duroe: Und von diesem Kerkermeister
wurde niemals eine Spur gefunden?
Vollmer: Niemals! Es hat die Polizei auf ihn ge—
fahndet. Hohe Belohnungen wurden ausgeschrieben. Nicht
einmal die Gegend, wo er etwa hergekommen, wußte
Kaspar Hauser anzugeben.
Demoiselle Durocr: Wahrhaftig, ein Objekt wie ge—
schaffen für alle Menschenfreunde. Ein Naturkind wie
Paul et Virginie!