Volltext: 1834-1884 (2. Band)

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Hypothesen. 
aber nicht das Hauserproblem. Die ihn verblüffende Frage: 
wie war es möglich, daß dieser geistig ganz ungebildete Mensch 
seine Rolle jahrelang so fortspielen konnte, ohne je aus dersel— 
ben förmlich hinauszufallen und sich zu verrathen?“ 
richtet sich an eine falsche Adress.. „Wie war es möglich?!“ 
muß man fragen, nicht mit dem verwunderten Blick geheftet auf 
Kaspar Hauser, sondern auf Binder, von Tucher, Hermann, Daumer, 
Feuerbach und ihre Nachbeter, die ihrem Kaspar seine sogenannte 
„Rolle“ aufgeschwätzt, sie für ihn stufenweise ausgearbeitet haben). 
Ich will an Pflaums Statt deutlich antworten: Kaspar konnte 
zar nicht aus der Rolle förmlich herausfallen, denn in der ihm zu— 
gedichteten, in ihn hineingeforschten, aus ihm herausgelockten Rolle, 
das heißt in der Rolleeineslebenslänglicheingesperrten 
sprachlosen Tiermenschen ist er nie aufgetreten. Er ist 
weder die vierte Person einer heiligen Vierfaltigkeit, noch von einem 
„anderen Planeten“ auf den Unschlittplatz herabgefallen, noch dort hin— 
gezaubert, sondern er ist ohne Stock und ohne Unterstützung 
und sprach- und umgangsfähig und durchaus nicht tages— 
blind von dem Bärleinhuterberg zum Neuenthor, zum Rathause 
und auf den Luginsland gewandert. Von der ersten bekaunten 
Stunde an hat er mit allen Leuten geredet, auf ihren Wunsch ge— 
lefsen und geschrieben, und in demselben Mutterdialekt, mit 
welchem er 1828 auftrat, rief er 1833 auf seinem Sterbelager: nach 
Münken! 
Dort lag allerdings der Hase im Pfeffer. Noch zwei andere 
) Die Hauserianer wähnen sich bloß mit dem Worte „Spitzbubentheorie“ 
don der Kritik befreien zu können. Umsonst! Die moralische Entrüstung hat sich 
micht gegen den an sich sehr gleichgiltigen Kaspar Hauser zu richten — denn männig— 
iich hätte wie er die Frucht der Dummheit mit Behagen genossen — sondern sie ist 
aur gegen die Gründer und Bearbeiter seiner „Geschichte“ am Platz. Erst durch 
die Art des Verfahrens gegen ihn Meerker hat es schon richtig gesehen) 
ist der Lügner zum Betrüger geworden. Üübrigens sind die drei einzigen 
Männer, die alle vorhandenen Hauserakten, außerdem aber auch den ersten Band 
meines Buches gelesen haben, Herr Landgerichtspräsident Schmauß in Nürnberg, 
der J1. Staatsanwalt Herr Enderlein in Fürth, Herr Landgerichtsrat Meyer 
in Ansbach, mit meiner Grundauffassung vollkommen einverstanden.
	        
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