Volltext: 1828-1833 (1. Band)

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Auf dem Luginsland. 
verkennen konnte, trifft man nur in Schulen, vorzüglich in Land— 
schulen, an, deren Lehrer noch dem Mechanismus huldigen. Nie 
habe ich noch gefunden, daß sich ein solcher Ton beim 
Privatunterrichte herausbildet, am allerwenigsten, 
wenn ihn Lehrer erteilen, wie sie K. H. hatte. Ich 
kann nicht begreifen, wie seine früheren Lehrer diesen Umstand gleich— 
gültig ansehen konnten. Es müßte nur sein, daß sie mit den Eigen— 
tümlichkeiten vieler Volksschulen ganz unbekannt geblieben wären. 
Seinem Lesetone nach hatte K. H. eine gewöhnliche Schule besucht, 
und es dürfte dies um so wahrscheinlicher sein, als er bei seinem 
Erscheinen in Nürnberg schon ziemlich wacker schreiben und, wie be— 
hauptet wird, auch lesen konnte. 
So viel ist gewiß, daß in Bayern jährlich noch mehr als ein— 
tausend Schüler aus der Volksschule entlassen werden, die nicht mehr 
können, als K. H. gleich anfangs in Nürnberg zeigte. — Diesen 
Satz wird jeder erfahrene Volksschullehrer bestätigen. In Gegenden, 
wo der Schulbesuch noch sehr schlecht ist, findet man bei Kindern 
unordentlicher Eltern, gewissenloser Dirnen ꝛc. diese Erscheinung gar 
nicht selten. Die Militärs mögen es bezeugen, wie viel noch jaährlich 
Rekruten eingereiht werden, die ihren Namen kaum schreiben können, 
obgleich sie 6 Jahre lang eine Schule besucht haben.“ 
Obgleich Kaspar sogar das Sprechen noch erst hätte zu lernen 
gehabt, war der Erste Bürgermeister im Privatverkehr mit dem „Find— 
ling“ doch so scharfsichtig, daß er einen Schauerroman abfassen, drucken 
lassen und schon am 7. Juli veröffentlichen konnte. Dieses Stück 
steht, als Publikation einer anständigen Behörde, einzig in der Welt— 
geschichte da. Der Entwurf ist der Königlichen Regierung des Rezat— 
kreises in Ansbach vorgelegt worden, der Magistrat aber wartete ihre 
Antwort gar nicht ab, sodaß eine vom 11. Juli 1828 datierte 
Warnung zu spät kam, und die Geschichte von vornherein verpfuscht 
war. Das Reskript an den Stadtkommissär von Nürnberg enthielt 
die richtige Bemerkung: „es treffen in der erzählten Lebensbeschrei⸗ 
bung so viele abenteuerliche und höchst unwahrschein— 
liche Umstände zusammen, daß man sich des Verdachts irgend 
einer groben Täuschung — kaum erwehren kann; der Magistrat
	        
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