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zu finden, schoben sie sie nur auf seine enorm hohe Be—
gabung, ohne zu bedenken, daß auch eine solche durch eine
Haft, wie Hauser sie hinter sich haben wollte, sehr hätte ge—
schädigt werden müssen. Mag er nun von Natur hervor—
ragend beanlagt gewesen sein oder nicht, seine schnelle Ent—
wickelung in der Freiheit steht mit der Erzählung von seinen
bisherigen Verhältnissen im Widerspruch und macht letztere
ganz unwaährscheinlich. Zum mindesten ist sie übertrieben
und viel wichtiges weggelassen. Wenn Hauser sich überhaupt
in Haft befunden hat, so wurde er entweder nicht im zarten
Kindesalter darin untergebracht, sondern zu einer Zeit, wo
seine Entwickelung schon einigermaßen vorgeschritten war, und
wo er bereits Unterricht genossen hatte, oder die Haft war
weniger streng und unheimlich, als er sie schilderte, er konnte
gehen, sah mitunter Sonnenlicht, kam mit Menschen in Be—
rührung und lernte so manches. Die schon so früh eintretende
Einschließung, daß er keine wesentlichen Erinnerungen an die
Zeit vorher bewahren konnte, sowie die Abschließung von allem
Verkehr, die Entziehung des Lichtes und die Verhinderung
von Beschäftigung sind nach der Sachlage einfach unmöglich.
Ist er denn aber überhaupt eingesperrt gewesen? Wir
haben dafür keine Anhaltspunkte als seine eignen Aussagen
und einige Merkmale in seinem Aussehen und Auftreten.
Wenn nun seine ganze Erzählung eine Unwahrheit war, so
wird der Glaube an ein ernstes Geheimnis, das hinter seiner
Person steckte, stark erschüttert, und die Annahme gewinnt
Raum, er habe während der Jahre 1828-1833 ständig
simuliert. Ich erlaube mir, hier eine eigne Vermutung über
ihn anzuführen. Es ist eben nur eine ganz subjektive Ver—
mutung, und in keiner Weise maße ich mir an, damit die
Lösung des Rätsels gefördert zu haben.
Kaspar Hauser stammte aus guter
eine dementsprechende Bildung genossen.