Volltext: 1828-1833 (1. Band)

28 
Auf dem Luginsland. 
schlossener wurde. Die Leute gingen so klug wie sie kamen, ver— 
suchten aber das Rätsel des fehlenden Taufscheines selbst zu lösen. 
Zuletzt wußte der Bursche von seiner ersten Kindheit an bis zu 
seiner Ankunft in Nürnberg gar nichts! Folglich sei er lebens— 
länglich „eingesperrt“, ja sogar von der Menschenwelt „abgesperrt“ 
gewesen, folglich sei er ein „Tiermensch“, folglich verstehe er über— 
haupt keine Sprache, folglich fehlen ihm alle Begriffe, folglich 
wäre er ein als ein erwachsener Jüngling geborener Säugling, folglich 
und das ist die Hauptsache — war er „eine Sehens⸗ 
würdigkeit“. Zu den „gemütlichen“ Schändlichkeiten der vergangenen 
Zeit gehört das Vorzeigen und Reizen von Irrsinnigen durch ihre 
Wärter zur Zeit der Kirchweihe. Einer solchen Gemeinheit wurde 
auch Kaspar ausgesetzt. Der Schutzmann Blaimer mußte ihn vom 
27. Mai an täglich ausführen und insonderheit an öffentliche Plätze 
begleiten, man benutzte aber diese Gelegenheit, um ihn auch in 
Kneipen herumzuführen, wo dem „Tiermenschen“ Schnupftabak auf— 
gedrungen, Schnaps statt Wassers dargereicht, und sonstige Pöbeleien 
verübt wurden. Das dumme Angaffen und Ausfragen mußte der 
Gefangene über sich ergehen lassen: er brauchte sich seinerseits bloß 
passiv zu verhalten, der geschäftige Klatsch arbeitete sich einen ver— 
wahrlosten Tiermenschen aus der zuchtlosen Phantasie heraus. Was 
aber sein täglicher Umgang, der Gefängniswärter Hiltel und der 
Polizeisoldat Blaimer vor Gericht mitgeteilt und beschworen haben, 
das spielt noch mit nichts in den Hausermythus hinüber. Hiltel 
erzählte: „Hausers liebster Umgang war mit meinen Kindern. Er 
hatte einen guten, mächtigen Verstand. Er erlernte alles gleich und 
vergaß es so leicht nicht wieder, selbst sogar im Klavierspielen hat 
er gute Fortschritte gemacht; er fing nach erhaltenem dreitägigen 
Unterricht schon an, ein kleines Stückchen (aus dem Freischütz) zu 
spielen; er hat mir durch seine Gutmütigkeit und Gelehrigkeit so sehr 
gefallen, daß ich ihn gar nicht aus meinem Hause gelassen, wenn ich 
nicht selbst mit acht Kindern versehen gewesen wäre. Seine Füße 
waren bei seiner Ankunft wohl nicht wund, jedoch sehr angelaufen, 
da seine Stiefel ganz enge waren. Die erstere Zeit saß er etwas 
gebückt und sowohl auf der Bank, wie auf dem Boden, zog er seine
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.