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Der mechanische Vorgang ist dabei folgender:
Ein Festkörper, oder ein Körper mit grofser innerer Reibung, der
zugleich Leiter der Elektrizität ist, werde positiv elektrisch geladen. Dieses
Laden beruht nun auf einer Verminderung des Binnendruckes, d, h. in
einem Wegrücken der obersten Teilchenschicht von der darunterliegenden.
Mit dieser Vergröfserung des Teilchenvolumens der obersten beiden Schichten
ist Arbeitsleistung verbunden, die sich als Energie der Lage der Teilchen
anhäuft, ohne die kinetische Energie derselben zu vergröfsern. Ein der-
artiger Vorgang könnte nun leicht als rückläufig aufgefafst werden, was
aber ausgeschlossen ist, da ja, wie in Kapitel III gefunden wurde, der
Druck der einzelnen Teilchen von innen nach aufsen, entsprechend der
Anziehung, abnimmt. Die Temperatur mufs allerdings sinken, da die
Anzahl der Teilchen pro Normalfläche eine Abnahme erfährt, und man
könnte nun nach dem oben angeführten Beispiel der Gasausdehnung
erwarten, dafs durch Erwärmung auf die ursprüngliche Temperatur der
ehemalige Zustand wieder hergestellt werde, was aber keineswegs zutrifft.
Man kann sonach sagen:
Mit der elektrischen Ladung ändert sich das Teilchen-
volumen eines Körpers, während sein Teilchengewicht bestehen
bleibt, sodafs ein neuer, sehr labiler Körper, mit neuen, physi-
kalischen Eigenschaften entsteht. Erwärmt man jetzt diesen ge-
ladenen Körper, so wird dadurch seine kinetische Energie vergröfsert, wes-
halb er sich ausdehnt und zwar stärker, als im unelektrischen Zustand.
Trotz der Erwärmung resultiert aber, nach wie vor, ein elektrischer Körper.
Als Haupteigenschaft im geladenen Zustand ist die Labilität des
Körpers hervorzuheben, d. h. seine Fähigkeit in den ungeladenen Körper
momentan überzugehen. Diese Fähigkeit spielt eine sehr wichtige Rolle
bei der Fortpflanzung der Elektrizität und bedingt deren Geschwindigkeit.
Die Druckentlastung an der Oberfläche hat nun bei Leitern eine
Einwirkung auf die Teilchen im Innern des Körpers, denn es tritt unter
dem verminderten Druck eine Ausdehnung und ein Auseinanderrücken
aller Teilchen ein, was dazu beiträgt, die an einem Punkt erfolgte elek-
trische Ladung über den ganzen Körper zu verteilen.
Geht man in der Betrachtung dieser Verhältnisse einen Schritt weiter,
so findet sich sehr bald der Grund für die Anschauung, dafs »die Elek-
trizität auf der Oberfläche der Leiter sitze«, eine Auffassung, die mit den
Fragen über die Kapazität innig verbunden ist. Letzere findet sich in
Müllers Lehrbuch der Physik *) folgendermafsen definiert: »Die Kapazität
eines Leiters wird gemessen durch die Menge der Elektrizität, die man
braucht, um den Leiter vom Potential Null auf das Potential eins zu bringen.«
Ferner: »Während die Wärme-Kapazität des Körpers eine konstante
ist, welche nur von dem materiellen Inhalt desselben abhängt, ... verhält
*) Müller Pouillet Physik. 9. Aufl. II. 214.