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Am Haller-Thürlein:
„Wär' wie die andern ich groß und weit!
Möchte mich dehnen und recken.
Muß in Scham und Schüchternheit
Leider mich tief verstecken.
Stürmen die deutschen Sänger herein,
Hallerthürlein ist viel zu klein.“
Am Kasematten-Thürlein:
„Wer nicht bei Tag kommt, bleibt drauß!
Ich halte Ordnung hier im Haus,
Geh' mit den Hühnern schon zur Ruh
Und sperr' vor Nacht mein Thürlein zu.“
Doch kommet, meine lieben deutschen Gesangsbrüder! Wir
haben nun die reich geschmückte, alte Noris mit ihren Merk- und
Sehenswürdigkeiten genau betrachtet — laßt nun mit den andern
Brüdern uns vereinen, um Gott zu preisen im deutschen Liede für
solche Pracht und Herrlichkeit! —
Am Sonnabend den 20. Juli (den Empfangstag) ver—
sammelten sich die tausend und abertausend deutschen Sänger
Abend gegen 7 Uhr am Rathhause, von wo aus die einzelnen
Vereine unter Voraustritt ihrer Fahne und Standarte, in einem
herrlichen, unübersehbaren Zuge durch die Theresienstraße, Laufer—
straße, zum Laufer Thor hinaus, zur Festhalle sich bewegten.
Die rauschende Marschmusik wurde durch Marschlieder ein—
zelner Vereine unterbrochen und mitten durch diese Töne hindurch
erscholl ein vieltausendstimmiges Hoch, von den Sängern den
biedern Nürnbergern dargebracht, das begeistert fort und fort er—
widert wurde. In hoher Begeisterung, die durch den liebevollen
Empfang der treuen Nürnberger immer mehr und mehr gesteigert
wurde, erreichten endlich die vordern Reihen des ewigen Zuges
die Sängerhalle auf dem Marfelde, eine Halle, obwohl hölzern,
doch architektonisch schön und größer als die St. Lorenzkirche —
170 Fuß breit, 352 Fuß tief und 50 Fuß hoch, dazu noch Seitenschiffe,
prächtig decorirt, von Fahnen, von riesig großen Fahnen überweht.
Ihr Tageslicht empfing sie hinreichend durch zahlreiche Fenster,
welche aus geöltem verschiedenfarbigem Papier wunderschön zu⸗
sammengestellt waren. Abends wurde sie von mächtigen Gaslustres,
jede zu 144 Flammen, erleuchtet und wir fanden sie bereits im