funden, d. h. dem täglichen Gebrauch noch nicht dienst—
bar gemacht, und wer in ein Haus wollte, mußte eben
die Glocke ziehen.
Es war ja damals gewiß recht verlockend beim
Schlendern durch die Straßen so und so viele Griffe
zu sehen, die zur Benützung einluden, und mancher
Hausglockengriff wurde gezogen, ohne daß jemand
Einlaß begehrte, aber es lag auch, für Buben wenig—
stens, die Versuchung nicht fern, auch das berechtigte
Anläuten etwas dringend zu gestalten. Nun hatten
wir bei der guten Großmama gewiß nie „dringende“
Besuche zu machen, wenn unsere dringende Sehnsucht
manchmal auch einen etwas materiellen Hintergrund
hatte, auch geschah selbst bei dem leisesten Rühren
der Glocke — und das konnte man bei gutem Willen
fertig bringen — stets das gleiche.
Oben vor dem Fenster war nämlich ein kleiner
Spiegel, welcher jeden verriet, der vor dem Hause
stand, wenn er sich nicht geflissentlich in die Tür
drückte, was wir natürlich auch taten, obwohl es
nicht gerade zur Freude der Besuchten diente. Kaum
war angeläutet, so erschien oben im Spiegel oder
besser fuhr für den unten Harrenden ein weißes
Häubchen mit langen, gestärkten Bindbändern an
den Spiegel „hurtig g'schwind“, so daß man meinte,
es müsse gleich samt dem Kopf durchs Fenster fahren,
und verschwand ebenso schnell, und schon wurde nicht
einmal, sondern drei- viermal rasch hintereinander
„aufgetreten“. Oeffnete der Ankommende unten die
Haustür, so sah er schon droben am Ende der Treppe
ein freundlich nickendes Gesicht herunterschauen aus
dem bewußten weißen Häubchen mit den straff ge—
stärkten Bindbändern, die bei jedem Nicker ein wenig
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