Werte Kollegen! Unsere Tarifangelegenheit ist beendigt und so ziemlich bdis
auf eine Offizin geregelt und es scheint, als hätte sich ein Teil unjerer Kollegen von
dem Siege blenden lassen und lebten nun in einer Art von Vertrauenswahn. Dem
soll und darf aber nicht so sein. Schon das Sträuben der Herren Bositzer des
„Korrespondenten“, auf unsere gewiß gerechten Forderungen in dieser Seit einzu—
gehen, sollte bei jddem Kollegen Bedenken erregen, denn wer bürgt dafür, daß nicht
in nächster Zeit eine Flauheit im Geschäft eintritt und man uns infolge des größeren
Angebots von Arbeitskräften das bisher Bewilligte auch von anderer Seite wieder
teilweise entziehen will? Bereits vereinigen sich die Prinzipale von verschiedenen
Städten, um gegen ihre Arbeiter Front zu machen, und glauben Sie sicherlich nicht
zu unserem Heill Unsere Stuttgarter Kollegen können bereits ein Liedchen davon
singen! Darum, werte Kollegen, schließen wir uns bei Seiten fest an einander, damit
vir in der Stunde der Gefahr ltark sind.
Der Beitrag des Verbandes wurde wegen der feindseligen Haltung
der Prinzipale gegen die Gehilfen vom J. Oktober ab von 5 auf 7 Kreuzer
monatlich erhöht. In Vürnberg wurde deshalb folgende Vegelung vor—
genommen: Jedes Mitglied zahlte wöchentlich 3 Kreuzer, wovon der Ver—
handsbeitrag bezahlt wurde, während der übrige Betrag in die Lokalkasse
floß, damit etwaige Extrasteuern daraus gedeckt werden konnten. — Be—
schlossen wurde, daßz Gauvorstandschaft und Vorstandschaft des Ortsvereins
Tupographia gemeinsame Sitzungen halten sollen.
Die ziemlich zahlreichen Lohnbewegungen von 1872 veranlaßten bei den
Prinzipalen eine gereizte Stimmung. Sie hatten Ende 1872 eine Er—
klärung veröffentlicht, laut welcher, wenn in irgend einer Stadt eine Ar—
heitseinstellung der Gehilfen erfolgten sollte, der Gesamtverein zum Schutze
der gefährdeten Vereinsmitglieder eintritt, indem an einem und demselben
Tage im ganzen Gebiete des Deutschen Buchdruckervereins die Vereins⸗
offizinen allen Gehilfen kündigen, die einer Verbindung angehören, die den
betreffenden Streik veranlaßt hat oder unterstützt. Das Verbandspräsi—
dium erließ darauf eine Bekanntmachung, wonach die Verbandsmitglieder
so lange eine streng reservierte Stellung einnehmen sollten, „als man nicht
direkte Versuche macht, der Ehre und Würde der Mitglieder zu nahe zu
treten. Sollten jedoch, was wir im Interesse des gesunden Menschenver—
standes nicht wünschen wollen, die Herren Prinzipale statt eine Verständig—
ung mit ihren Gehilfen zu suchen, angriffsweise gegen dieselben vorgehen,
so ist ein Jolcher Angriff mit allen zu Gebote stehenden Mitteln abzuweisen,
wie es Männern geziemt.“
1873.
Angesichts der gespannten Lage beschloß das Verbandspräsidium
unterm J. Januar, eine Extrasteuer von 224 Groschen pro Mitglied und
Woche bis auf Weiteres zu erheben. — Inzwischen war in Leipzig wegen
Nichteinführung des Vormaltarifs (Alphabetberechnuung und Minimal—
Tausendpreis von drei Groschen) der Streik ausgebrochen. Die Nürnberger
Kollegen nahmen in der Versammlung vom 22. Februar dazu Stellung und
beschlossen folgende Vesolution:
Die Nürnberger Verbandsmitglieder erklären folgendes: 9) daß sie ihren
streikenden Leipziger Kollegen ihre vollste Anerkennung zollen und daß sie vereit
sind, mit Vat und Tat für sie einzustehen: 2) daß das Schriftstück des Prinzipals—
38