;6
an sich fesselt und Arion, welcher von Delphinen durch die Fluten
zetragen wird. Zu gleicher Zeit werden auch die Erinnerung an
die Formen der antikisierenden Baukunst, wie sie in Italien auf-
gekommen waren, in ihm lebendig. Die architektonischen Hinter-
gründe in der „grünen Passion‘ zeigen nicht mehr die gotischen
Formen, welche noch zuweilen im Leben Mariä und in der grossen
Passion wiederkehren. Der reinen Renaissancekunst entsprossen
kann man zwar die Säulen und Bogen in der grünen Passion nicht
nennen; immerhin bekunden sie eine veränderte Richtung der archi-
cektonischen Phantasie und eine Annäherung an die massvolle Ein-
fachheit der Renaissancekunst. Wir begreifen, dass der Drang,
den engen Stadtmauern Nürnbergs zu entflichen, wieder in der
schönen Welt Italiens Mut und Kraft zu sammeln, immer mächtiger
in ihm anschwoll und zuletzt unwiderstehlich wurde, so dass er
trotz seiner Dürftigkeit — er musste von seinem Freunde Pirk-
heimer Geld für die Reise leihen — den nächsten Anlass ergriff,
ım nach Venedig zu reisen. Als solchen giebt Vasari den Rechts-
streit an, welchen Dürer gegen den berühmten Kupferstecher
Marcanton wegen unbefugten Nachstechens einzelner Blätter aus
dem Marienleben anstrengen wollte. Vasari ist zwar in diesem
Punkte kein sicherer Gewährsmann, auch erfahren wir aus Dürers
Briefen nichts von seinem Prozesse gegen Marcanton. So viel aber
darf man die Nachricht Vasaris vielleicht gelten lassen, dass die
Nachbildung seiner Werke in Venedig auf seine Reise mitbestimmend
wirkte. Wenn seine Schöpfungen so grossen Beifall in Venedig
‚anden, dass sogar Fälschungen Gewinn brachten, warum sollte er
ıcht seiner Person den Vorteil zuwenden?
Mit zahlreichen Aufträgen der Nürnberger Freunde zum An-
xaufe von Perlen, Edelsteinen, Ringen, Büchern belastet, sonst aber
mit leichtem Gepäcke und schweren Sorgen beladen, machte sich
Dürer im Herbste 1505 auf den Weg. Er hatte sechs ‚„Thafelln,‘“
kleine Bildtafeln, mitgenommen. Wird er sie verkaufen, werden
ihm neue Bestellungen gemacht werden? Nicht wenig drückte ihn
auch die Geldschuld an Pirkheimer, mit welchem er während der
Reisezeit einen regen Briefwechsel unterhielt. Zehn Briefe, teils
ın den ersten Monaten, teils im Herbste 1506 geschrieben, haben
sich erhalten. In den ersten Briefen herrscht ein gedämpfter Ton.
Ihn kümmert das Schicksal der zurückgelassenen Mutter und Gattin,
2r denkt an den arbeitslosen Bruder Hans und klagt über die
Maler, welche ihm nicht wohlwollen und seine Kunst tadeln. denn