schauung geprägt worden von Erasmus von Rotterdam, verbreitet
durch sein Handbüchlein des christlichen Ritters.
Das „Enchiridion militis christiani‘‘ des grossen Humanisten
von Rotterdam ist ein lateinisch verfasstes Handbuch praktischer
Frömmigkeit, in welchem der Gegensatz gegen die Werkheilig-
keit der mittelalterlichen Kirche in aufsehenerregender Weise
betont wurde, weshalb der Schrift denn auch der Vorwurf der
Ketzerei nicht erspart blieb. Der Grundgedanke ist der, dass
jeder Christenmensch als ein Streiter seines Herren, eingehüllt in
die Waffen des Glaubens, den rauhen Pfad des irdischen Lebens
zu ziehen habe. Es werden dem christlichen Ritter für diese
schwere Aufgabe eine ganze Reihe Lebensregeln (Canones)
gegeben. Für die Erklärung des Dürer-Stiches ist dabei eine
Stelle im 3. Canon interessant, wo es heisst: „Damit dich aber
von dem Pfade der Tugend die Thatsache nicht abschrecke, dass
er rauh und traurig erscheint, dass bald den Bequemlichkeiten
der Welt entsagt werden muss, bald tüchtige Kämpfe zu bestehen
sind, und zwar mit den drei nichtswürdigsten Feinden: dem
Fleische, dem Teufel und der Welt, so sei dir diese 3. Regel
vorgelegt: Alle Schrecknisse und gespenstische Erscheinungen —
„universa terricula et phantasmata“ — welche sich dir sogleich
wie an den Pforten der Unterwelt — „,velut in ipsis Averni
faucibus‘‘ — entgegenstellen, sollst du für nichts achten, nach
dem Vorbilde des Vergil’schen Aeneas. Wenn du diese leeren
Schatten verachtest — ‚„ludibriis inanibus contemptis‘‘ —, und
auf die Sache selbst desto eifriger und sorgfältiger Acht hast, so
wirst du die Ueberwindung schauen.“ 1
Die Stimmung des Dürerstiches scheint uns ganz überraschend
aus diesen Sätzen wiederzuklingen, namentlich auch das furchtlose
verächtliche Vorbeireiten des Ritters an den leeren Schreckbildern,
die ihn „den Teufel scheeren“, wie eine kräftige deutsche Redensart
zu sagen beliebt, und ihn ganz und gar nicht aus seiner inneren
Gefasstheit zu bringen vermögen. Darüber hinaus freilich darf eine
1 Die von Grimm aus dem 2. Canon angeführten Stellen sind nicht
ganz richtig citirt. Von «alacritas» ist dort nicht die Rede, und das
Abweisen der Gesellschaft des Teufels (non patitur consortium diaboli)
ist grammatikalisch nicht auf den Ritter, sondern auf Gott zu beziehen.