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noch einen jüngeren Lebensgefährten erwarten können. Das Hand—
werk hatte damals noch einen goldenen Boden, und Meisterswitwen,
zumal wenn sie ein gangbares und einträgliches Geschäft ihr eigen
nannten, hatten für gewöhnlich, auch wenn ihre körperlichen Reize
schon recht in Verfall waren, nicht lange nach einem Freier aus
ihrem Handwerke Umschau zu halten. So mancher Geselle zog es
vor, ein schon fertig bereitetes Nest in Besitz zu nehmen, als eine
neue Werkstatt zu gründen und sich erst mühsam Kundschaft zu
erwerben. Allein die Nahrung des Kandelgießers Jakob Endres
war allem Anscheine nach keine besonders blühende. Er kann nur
ein mittelmäßiger Meister gewesen sein, da seiner Kunstfertigkeit au
keiner Stelle gedacht wird. Ja, über sein Begräbnis enthält das
Totenbuch von St. Lorenz nur den Eintrag; „Ein Kandelgießer am
Vischbach verschieden, 19. Martii 15610“
Er ist also nicht einmal mit seinem Namen aufgeführt, ein
sicheres Zeichen, daß er wenig bekannt war, und sich also nicht besonders
hervorgethan haben kann. Erführen wir nicht aus dem Totenge—
läutbuch von St. Sebalds), daß Jakob Endres der am Fischbach
derschiedene Kandelgießer war, so hätten wir keine bestimmte Nach—
richt über die Zeit seines Ablebens. Doch abgesehen von dem anscheinend
nicht blühenden Zustande, in dem sich das Geschäft ihres verstorbenen
Mannes befand, hatte die Witwe eine große Anzahl Kinder, und
bei ihrer Fruchtbarkeit und Jugend war in einer neuen Ehe noch
weiterer Zuwachs zu erwarten. Dies alles mußte einen jüngeren
Mann abhalten, um ihre Haud zu freien. Wenn sie daher gegenüber
der Werbung des Hans Sachs sich nicht ablehnend verhielt, so mag
zu ihrem Entschluß ganz besonders die Rücksicht auf ihre und die
Zukunft ihrer Kinder beigetragen haben. Barbara wird von Hans
Sachs als vorsichtig, wohl besonnen und verständig geschildert; sie
war demnach mehr eine bedachtsam überlegende als leidenschaftliche
Natur. Bei ruhigem Abwägen wird ihr also Hans Sachs trotz
seines hohen Alters immerhin noch als „annehmbare Partie“ er—
schienen sein. Er befand sich in guten Vermögensverhältnissens?),
st) Totengeläutbuch von St. Sebald (Germanisches Nationalmuseum
H. B. Ma, Fol. 165b). Dort findet sich unter denen, die in der Zeit von Reminiscere
2. März) bis Trinitatis (1. Juni) 1561 bestattet wurden, „Jacob Endres, kandel—
gießer am vischbach“.
32) Er bezeichnet sich selbst als reich in dem Gedicht „Die Werke Gottes
sind alle gut“ vom Jahre 1563 oder 1568 (Tübing. Ausg. XV, 551).