Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

Als gute Freunde fhieden wir; aud war id fo glücklich, in einem der 
näcdhften Häufer den Sig des Brigadekommandos aufzufinden; doch auf den 
Befehl hatte ich vorläufig noch) zu warten. 
30. Anguft, 
Bor die Thlüre des Brigade-Nommando’s murde etwas Stroh geftreut und 
mir Fonnten einftweilen, bis der Befehl eingetroffen war, fhlafen. Zufällig 
traf ih hier einen lang nicht mehr gefehenen Bekannten, der zu gleidhem Dienft 
Fommanbdirt war und mit dem ih fo lange um Pla ftritt, bis wir uns an 
der Stimme erkannten... Eingefdlafen war ih aber noch nicht, als das Schrei: 
ben foSging, daS in einer elenden Küche beforgt wurde. Unterdefjen waren 
to neue Truppenabtheilungen Herangerüct und bezogen ebenfalls in unjerer 
Nähe Bivonaks. Da die meiften Wachtfeuer bereits erlofdhen waren und die 
Nacht ftocfinfjter, {jo mar e€8 eine Höchft unerquiclidhe Aufgabe, Bei diefer 
;urctbaren Anzahl von Truppen ein beftimmtes Bataillon ausfindig zu mas 
hen. Ueber eine Stunde {tolperte ih) herum, Niemand konnte mir den Plaß 
beftimmen und bis id endlidy ankanı, Hatte ih mir die Flüche fo und jo Vieler, 
denen ih auf die Züfle getreten, zugezogen. 
Mein Bedienter brachte mir, als id) ankam, mein Ejjen, das in einem 
halben Feldbeher Neis, in Wafier abgekocht, beftand. Oemundet hat e8 mir 
nicht, das Kann mir mein ärgfter Feind nicht nachfagen, aber gegeffen Habe id 
28 und hätte gerne noch eine zweite Portion vertilgt, wenn nod) welche dagewefjen 
wäre. Die Nacht mar Kalt und mir, die wir in der Nähe eines Weiher8 la: 
gen, Hatten noch einige Wärmegrade weniger. Meine Ruhe war hin, mein 
Magen mar leer, fo jebßte ih mid an ein Wadhtfeuer, ftunım dem Spiel der 
Slammen zufjehend und die Creignijfje der keßten Tage Revue pafjiren lafjend. 
Dank der Temperatur war ih am näcditen Morgen kaum im Stande, mid 
auf den munden Halberfrorenen Füfflen zu halten und ih machte daher allerlei 
Manipulationen, um diejelben zu erwärmen, denen jedoh fHon dadurch ein 
bedeutendes Hindernif in den Weg gelegt wurde, daß e8 abfolut unmsglich 
mar, die dom Thau durdhdrungenen, durch die Kälte zujammenge[hrumpften 
Stiefel zu entfernen. Ein dichter Nebel Hüllte Berg und Thal ein und ließ die 
Sonne nicht zum Durghbruq Kommen, die jet nur wohlthätig Hätte wirken 
fönnen. Dody ging audy diefer LeidenZfelh vorüber; man rüjtete fih zum 
Abmarfdh von diejer Stätte der Qual, und felten wohl Habe id einen Platz, 
auf dem ih geruht, fo gerne verlajfen, wie Diefen. 
Wir maren noch nicht lange marfdhirt, al8 wir Halt maden mußten, um 
das erfte Arıneekorps an uns vorüber zu lafjen; und da dies vorausfichtlich 
[längere Zeit mährte, fo murde einftweilen abgefocht. Das Material Hiezu be: 
jtand ausfchließlid in Kartoffeln, die in einem nahen Felde ausgegraben 
murden und fo einfad) das Mahl war, fo fruchtbringend mar e8 auch, denn 
heute zum 2. Male mit leerem Magen das Ende der Welt erreidhen zu wolz 
fen, wäre fhon unter die Klafie der riskirten Probleme zu rubriziren 
gewefen. 
Um einige Pfund fhiwerer, begann Mittags wieder der Marfh nad 
Norden, auf meldhem Wege au franzöfildhe Abtheilungen mar[dhirt fein muß: 
ten, da man Häufig einzelne Theile der grande arme am Wege liegend fand. 
Die einzelnen Häufer am Wege waren geplündert, Chüren und Fenfter 
zerfhlagen, KXäfjten und Schränke gefprengt und deren Inhalt lag zerfeßt auf 
ber Straße.
	        
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