Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

»3 
Die 10 Offüziere der zweiten und dritten Kompagnie Hatten ein Semach 
auf einem SGetreideboden, das durch vereinigte Anftrengung der betreffenden 
Bedienten zunächit von Spinnen und anderweitigen viel mehr zu fürcdhtenden 
niederen Thierklaffen gereinigt wurde. Sin Tijh war bald improbvifirt, Stühle 
maren nicht da, e8 mußte deshalb ein bankartiges Ding hHergeitellt werden. 
Etlide Bund Stroh mußten [Hwellende Roliter voritellen, Stiefelauszsiehung 
beruhte auf SGegenfeitigkeit. 
An dem überfüllten Ort war begreiflidhermeife nichts aufzutreiben; eS galt 
daher auf die Menichlichkeit der Iujajien eines ant Dorje gelegenen Damen: 
ftifts zu pochen. Der fertigite der Vedienten, benamft „der Vataillons-Huber, 
wanderte hin, fohilderte, daß fein Herr Frank ‚dei und fanı, beladen mit den 
Schäuen Indiens, zurüc. Bei (id mehrmals wiederholender INepetition 
ftaumpfte fi jedoch das Gefühl der Matronen merklich ab, bis fie es endlich 
Hır gut fanden, ung ein ferneres Belaften unjres Contos zu verweigern. 
Der Heutige Tag war wieder einmal wie zum Briejfhreiben gelchaffen. 
An Thürpfojten, auf der Erde liegend, auf irgend eines Kameraden Buckel, 
urz, wie fi eben die Gelegenheit bot, wurde darauf (oögejchrieben und der 
Feldpofjt das Gefertigte übergeben. Dan fühlte fich immer um einen halben 
Centner leichter, menn man etlidhe Briefe abgefertigt hatte, {don deswegen, weil 
die nothwendig darauf folgende Antwort uns wieder Nachrichten aus der an: 
dern Welt zukommen ließ. 
„Wir Haben Weiffendburg eroppert und zweihundert Indianer gefandht“, 
jhrieb in gerehtem Stolz ein Soldat auf einen Zettel, fließend damit, daß 
man fih nur Feine Sorgen um ihn maden folle — und fchicte ihn zurüdg 
über die Grenze, über die uns fo und fo viele Briefe, Seukzer und Sedanken 
nachmanderten. 
War dieles erjte SGeldHäjt, nämlich das Brieffchreiben, beendet, fo ging's 
über Armatur und Kleidung, in denen der Zahn der Zeit nur zu allgewal: 
‘ig nagte. 
Da gab’8 ein Pußen und Wajdhen, ganz großartig. Ale Zäune und 
Hecken waren mit zu trodnenden Kieidungsitücen behängt, daß die ganze Ort- 
haft einer großen Wälhe glid. Den Einwohnern fiel 08 auf, daß nach den 
gehabten Anftrengungen die Soldaten fo fleißig ihre Utenfilien wieder in Stand 
brachten und febten dies ganz Falt auf Rechnung der Kurcht und der Thrannei 
im Deere der DeutidhHen. 
Die Frau, deren Hau3Z wir inne Hatten, ließ ji nicht befonderS gerne 
herbei, für ung zu kochen und jtellte ‘io, al8 ob fie unjer Franzöfijch nicht 
veritände. Einige Geldjtüce jedoch genügten, um fih zu Verhandlungen mit 
un8 bewegen zn lafjen, und Abends dampfte eine großmächtige Suppenjhüffel 
und ditto mit Kartoffeln auf dem Tijdh, die — Honny soit qui mal y peonse 
in unglaublid Kurzer Zeit lecr wurden. 
Nächiten Morgen galt e8, bald auf zu fein, ergo: heute fi bald niederzu- 
(egen, und mid des fchlehten Lager8 in Vie erinnernd, {hHäste ich mich, wie 
zin Crdiu8 auf meinem Stroh, und ih fOHlier wie ein Herrgott in Frankreich. 
16. Auguft. 
Nad langen Suchen Hatte endlich jeder aus dem Chaos von Stiefehr, 
die ein Unglücjeliger unter einander gebracht Hatte, feine richtigen herauSge- 
Anden und neugejtärkt begannen wir den Miarjdh auf Nancy, jedoch nicht mehr 
mit den mwonnigen Gefühlen, wie geftern, da wir durch den Tagesbefehl bereits 
wußten, daß wir Heute die Borpoijten zu geben hatten. Dod)y war Alles neu:
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.