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zu gestalten. Die perspektivische Richtigkeit der Darstellung geht
nit der psychologischen Wahrheit Hand in Hand. Mantegna reizten
ausserdem kühne, ungewohnte Bewegungen, schwierige Verkürzungen
and Untersichten, z. B. zurückgebeugte Köpfe und nach der Tiefe
hin ausgestreckte Leiber, so dass man die Nasenlöcher, die Fersen
sicht. Diese Wahrheit und Kühnheit nun packte gar mächtig Dürers
Phantasie , so dass er nicht bloss einzelne Stiche Mantegnas (den
Tritonenkampf und das Bacchanale) nachzeichnete, sondern auch
in den nächsten Jahren gern die verkürzten Köpfe nachahmte, über-
aaupt in der Wiedergabe kräftiger Leiber, heftiger Bewegungen,
arregten Minnespieles sich gefiel. Man darf wohl in Mantegna den
ersten Lehrer Dürers von durchgreifendem Einflusse begrüssen,
dessen Naturauffassung in einer Ecke der Dürerschen Phantasie
einen bleibenden Platz behielt. Das wäre aber ohne die Voraus-
setzung einer gewissen persönlichen Wahlverwandtschaft nicht möy-
lich gewesen.
Eine erstaunliche Selbständigkeit, cin merkwürdiger klarer Blick
kündigt sich schon in dem jungen Dürer an. Das gewöhnliche
Handwerk genügte ihm nicht. Was auf der breitgetretenen Strasse
offen liegt, daran geht er ruhigen Schrittes vorbei. Er ist sich der
Mängel der heimischen Kunstweise bewusst; daher packt ihn helle
Begeisterung für die reinen Masse, von welchen ihm Meister Jakob
erzählte. In seiner Phantasie dämmert bereits eine Welt von mächtig
Dewegten, kräftig empfindenden Gestalten; deshalb fühlte er sich
zu Mantegna so schr hingezogen, in dessen Stichen gleichfalls schart
geschnittene Charaktere, ein unverhülltes , in die Tiefe gehendes
Scelenleben vorherrschen. Dürer ist der erste Italienfahrer unter
den deutschen Malern. Man sollte glauben, dass er vom Zauber
der antiken Kunstformen und der italienischen Renaissance voll-
kommen gefesselt wurde. So ist es ja fast allen Kunstpilgern nicht
mmer zu ihrem Heile ergangen. Bei Dürer verfing der Zauber
licht. In einem oder dem anderen Falle regte ein altes Marmor-
werk sein Auge an. So zeichnete er z. B. einen bogenspannenden
Apollo (Albertina) nach einem Marmorbilde des bogenspannenden
Eros. Im ganzen blieben es doch fremde Tropfen, welche sich
acht mit seinem Blute mengten. Als echtes Kind seiner Zeit blickt
er mit scheuer Ehrfurcht zu den „Alten“ empor; durch die Ver-
nittelung seiner gelchrten, poetisch gesinnten Freunde lernte er
zahlreiche antike Mythen kennen und wurde mit dem Gestaltenkreise
ler Alten vertraut. Diese Anregungen waren aber überwiegend