Volltext: Albrecht Dürer

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zu gestalten. Die perspektivische Richtigkeit der Darstellung geht 
nit der psychologischen Wahrheit Hand in Hand. Mantegna reizten 
ausserdem kühne, ungewohnte Bewegungen, schwierige Verkürzungen 
and Untersichten, z. B. zurückgebeugte Köpfe und nach der Tiefe 
hin ausgestreckte Leiber, so dass man die Nasenlöcher, die Fersen 
sicht. Diese Wahrheit und Kühnheit nun packte gar mächtig Dürers 
Phantasie , so dass er nicht bloss einzelne Stiche Mantegnas (den 
Tritonenkampf und das Bacchanale) nachzeichnete, sondern auch 
in den nächsten Jahren gern die verkürzten Köpfe nachahmte, über- 
aaupt in der Wiedergabe kräftiger Leiber, heftiger Bewegungen, 
arregten Minnespieles sich gefiel. Man darf wohl in Mantegna den 
ersten Lehrer Dürers von durchgreifendem Einflusse begrüssen, 
dessen Naturauffassung in einer Ecke der Dürerschen Phantasie 
einen bleibenden Platz behielt. Das wäre aber ohne die Voraus- 
setzung einer gewissen persönlichen Wahlverwandtschaft nicht möy- 
lich gewesen. 
Eine erstaunliche Selbständigkeit, cin merkwürdiger klarer Blick 
kündigt sich schon in dem jungen Dürer an. Das gewöhnliche 
Handwerk genügte ihm nicht. Was auf der breitgetretenen Strasse 
offen liegt, daran geht er ruhigen Schrittes vorbei. Er ist sich der 
Mängel der heimischen Kunstweise bewusst; daher packt ihn helle 
Begeisterung für die reinen Masse, von welchen ihm Meister Jakob 
erzählte. In seiner Phantasie dämmert bereits eine Welt von mächtig 
Dewegten, kräftig empfindenden Gestalten; deshalb fühlte er sich 
zu Mantegna so schr hingezogen, in dessen Stichen gleichfalls schart 
geschnittene Charaktere, ein unverhülltes , in die Tiefe gehendes 
Scelenleben vorherrschen. Dürer ist der erste Italienfahrer unter 
den deutschen Malern. Man sollte glauben, dass er vom Zauber 
der antiken Kunstformen und der italienischen Renaissance voll- 
kommen gefesselt wurde. So ist es ja fast allen Kunstpilgern nicht 
mmer zu ihrem Heile ergangen. Bei Dürer verfing der Zauber 
licht. In einem oder dem anderen Falle regte ein altes Marmor- 
werk sein Auge an. So zeichnete er z. B. einen bogenspannenden 
Apollo (Albertina) nach einem Marmorbilde des bogenspannenden 
Eros. Im ganzen blieben es doch fremde Tropfen, welche sich 
acht mit seinem Blute mengten. Als echtes Kind seiner Zeit blickt 
er mit scheuer Ehrfurcht zu den „Alten“ empor; durch die Ver- 
nittelung seiner gelchrten, poetisch gesinnten Freunde lernte er 
zahlreiche antike Mythen kennen und wurde mit dem Gestaltenkreise 
ler Alten vertraut. Diese Anregungen waren aber überwiegend
	        
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