Kunde über seine Grundsätze, Anschauungen und künstlerischen
Ziele, doppelt wertvoll bei einem Manne, dessen Seelenleben sich
30 reich und tief gestaltet hatte.
Solange Dürer lebte, arbeitete er unablässig an seiner Aus-
bildung. Konnte er die Vollkommenheit nicht erreichen, so wollte
er ihr doch näher kommen. Von jedem Werke legte er sich strenge
Rechenschaft ab; er bereitete es nicht allein sorgfältig vor, sondern
unterwarf es auch nach seiner Vollendung einer genauen Prüfung.
Er verglich cs mit älteren Schöpfungen, schritt, wenn ihm die
Lösung der Aufgabe nicht zusagte oder ncue Seiten sich darboten,
zu ihrer Wiederholung. Die gewonnene Einsicht fasste er gern in
allgemeinen Sätzen und Regeln zusammen und legte sie schriftlich
nieder, auch zu Nutz und Frommen des jüngeren Geschlechts.
Denn Dürer fühlte in sich den Beruf eines Reformators. Was er
mühsam, durch Selbsterfahrung, erlernt und gewonnen hatte, sollten
die Kunstgenossen als sicheren Leitfaden besitzen. Viele Jahre
lang beschäftigte sich Dürer mit der Erforschung der Regeln, welche
der Künstler seiner Formensprache zu Grunde legen soll. Als er
starb, hatte er erst zwei Schriften: die „Unterweisung der Messung
mit dem Zirkel und Richtscheit in Linien, Ebenen und ganzen
Körpern‘“ und den „Unterricht zur Befestigung der Städte, Schlösser
und Flecken“ in Druck herausgegeben und eine dritte, seine be-
deutendste Schrift: „Die vier Bücher menschlicher Proportion‘“ für
den Druck erst vorbereitet. Ein noch umfassenderes Werk: „Speise
für Malerknaben‘“ blieb in den Anfängen stecken. Nur einzelne
Gedanken und flüchtig hingeworfene Ansätze haben sich handschrift-
lich erhalten. Alle diese Schriften gehen von selbsterworbener Er-
fahrung und Überzeugung aus und schlagen häufig einen persön-
lichen Ton an. Sie sind daher eine unschätzbare Quelle, um
Dürers Natur und inneres Wesen vollkommen zu begreifen und
werden mit Recht als Selbstbekenntnisse aufgefasst.
Dürers Geschlecht wurzelt in Ungarn. Hier, in einem bei Gross-
wardein gelegenen Dörfchen, Eytas, nährten sich seine Altvordern
von der Viehzucht. Der Grossvater, Anton Dürer, übersiedelte nach
dem benachbarten Marktflecken Gyüla, wo er das Goldschmied-
handwerk trieb und ihm 1427 ein Sohn, Albrecht, der Vater unseres
Dürer, geboren wurde. Ob in den Adern des Dürergeschlechtes
magyarisches Blut floss, wie zuweilen behauptet wird, lässt sich
nicht sicherstellen. Dass Albrecht der Altere, welcher gleichfalls
Goldschmied war, als junger Geselle nach Deutschland und den
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