Volltext: Albrecht Dürer

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Auch in dem religiösen Kreise begann er mit der Verkörperung 
der heimlichen Offenbarung, um allmählich zu den farbenhelleren, 
die menschliche Empfindung unmittelbar packenden Schilderungen 
aus dem Leben Christi und Mariä überzugehen und zuletzt in der 
Passionsgeschichte den Kernpunkt für sein künstlerisches Schaffen 
zu finden. Bei Dürer darf man aber Werk und Persönlichkeit 
nicht trennen. In jenem spiegelt sich stets hell und klar die 
Stimmung, das innere Leben des Künstlers wieder. Wic seine 
Phantasie nicht müde wird, immer und immer wieder das Leiden 
Christi anschaulich zu gestalten, so erscheint auch sein sittlich 
religiöser Sinn von der Bedeutung des Kreuzestodes tief ergriffen, 
und er findet in ihm den Grund- und Eckstein des wahren 
Glaubens. 
Diese Überzeugungen machten ihn für die religiösen Gedanken, 
Zweifel und Kämpfe, welche seit dem Anfang des Jahrhunderts in 
den Seelen mächtig hin und her wogten, empfänglich. Er wurde 
gleichfalls von der geistigen Bewegung tief ergriffen, die wir kurz 
ınd gut als Reformationsstimmung bezeichnen. Seine ganze Um- 
scbung brachte ihn ohnehin derselben nahe. Er verkehrte am 
liebsten und innigsten unter den Männern der neuen Zeit, welche 
in keiner andern deutschen Stadt so einflussreich und massgebend 
waren wie in Nürnberg. Überblickt man die Namen seiner Freunde 
und Gönner von Celtes, Schedel, Scheurl, Pirkheimer bis zu 
Spalatin, Nützel, Spengler, Holzschuher, Melanchthon, so begrüsst 
man lauter Männer, welche in der litterarischen Welt oder im 
öffentlichen Leben eine grössere Rolle spielten, an den geistigen 
Kämpfen regen Anteil nahmen. Sie führten ihn in das Reich der 
Humanisten ein, und als sie aus diesem vornehm sich absperrenden, 
dem wirklichen Leben cigentlich abgewandten Kreise heraustraten 
and der volkstümlichen Bewegung sich anschlossen, fanden sie in 
Dürer einen treuen Genossen. Dürer war über den Kampf Reuchlins 
mit den Dunkelmännern wohl unterrichtet, die Schriften des Erasmus 
waren ihm eine Quelle der Ergötzung und künstlerischen Anregung. 
LErasmische Gedanken hallen in den berühmten Kupferstichen aus 
den Jahren 1513 und 1514 nach. Tiefe Verehrung zollte er dem 
Manne, einem „tapferen Ritter Christi‘, welchemer den fröhlichen Willen 
zutraut, für die Wahrheit den Märtyrertod zu erleiden. Als Luther 
seine Stimme erhob, gab es wenige Männer, welche so eifrig auf 
ihn hörten und so treu ihm anhingen, wie Dürer. Bereits im An- 
fange des Jahres 1518, also nur wenige AMonate, nachdem Luther
	        
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