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erst zusammen betrachtet klären sie über die Absicht des
Künstlers auf.
Welches war aber seine Absicht? Wir können sie aus den beiden
Stichen erraten, wir können sie auch aus verwandten Gedanken-
kreisen, welche Dürer gewiss nicht fremd waren, vermuten. Dass
Dürer die volkstümlichste Schrift des Erasmus, das Lob der
Narrheit, kennt, beweisen zwei mit der Feder gezeichnete Blätter
in dem Pester Nationalmuseum, auf welchen offenbar einzelne Aus-
sprüche der Narrheit illustriert sind. Im Lobe der Narrheit nun
wird vielfach die Thorheit der Weisheit, das Glück der ersteren
den Kümmernissen, welche die Weisheit, das ungewisse Streben
nach Wissen, bereitet, gegenübergestellt. Erasmus spottet der
Philosophen, die nur in Wolkenkuckucksheim zu Hause sind, die
Schranken der natürlichen Erkenntnis mit Gewalt durchbrechen.
auf ihre Dreiecke, Vierecke, Kreise, und was cs sonst an gco-
metrischen Figuren giebt, pochen, mit Hilfe von geheimen Künsten
und Zaubermitteln in das Innerste der Dinge eindringen wollen
Glücklich war das goldene Zeitalter, wo man nicht grübelte, sondern
einfach den Eingebungen der Natur folgte, unglücklich sind Menschen,
welche von der Leidenschaft, alles wissen zu wollen, ergriffen
werden. Mit dem Wissen steigen die Bedrängnisse, Trauer wohnt
im Herzen des Weisen, grosse Weisheit ist von grossem Unmute
begleitet. Glückseligkeit geniessen jene allein, deren Geist der
Welt entrückt ist, welche ganz von dem wirklichen Leben sich
abgezogen haben. Diese Glückseligkeit wird allerdings erst nach
dem Tode, jenseits voll genossen, aber einzelne Auserwählte
kosten sie bereits auf Erden vor. Und merkwürdig. In den Rand:
zeichnungen, welche Holbein einem Exemplare des Lobes der Narr-
heit zufügt, wählt er zum Vertreter der Glückseligen auf Erden den
h. Hieronymus. Gleichviel ob Holbein den Stich Dürers kennt oder
nicht, jedenfalls war also der durch Erasmus’ Bibelerklärungen in
den Vordergrund gerückte Kirchenvater in jenen Tagen als Typus
eines ruhigen, gottseligen Lebens eine volkstümliche, leicht ver-
ständliche Gestalt. Vielleicht flogen Dürer noch von anderer Seite
ähnliche Anregungen zu. Das Ringen nach Erweiterung der Er-
kenntnis, die Leidenschaft des Forschens, dann wicder der Klein-
mut über die engen Grenzen des Wissens, der Glaube an die Thor-
heit und Eitelkeit aller Dinge, endlich die Sehnsucht nach Frieden
und Klarheit, das alles schwirrte in der Luft und beschäftigte die
Geister. Die Zeitstimmung trug Dürer die Geyvenstände der Schil