Volltext: Albrecht Dürer

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sürchtete sie sich doch gewaltig vor dem Sterben. Es kann daher 
1icht wunder nehmen, dass Todesgedanken in seiner Phantasie 
spielten, als er träumend seine „Reiter“ betrachtete. Soll auch 
dieser stramme Mann eine Beute des Todes werden? Nein. Dürer 
war nicht kleinmütiger Natur. Im Gegensatze zu der gangbaren 
Anschauung, nach welcher der Tod stets als Sieger auftritt, denkt 
er sich den Reiter, der so fest und sicher im Sattel sitzt, als einen 
tapferen Mann, welcher sich selbst vor dem Tode nicht fürchtet, 
allen Widerwärtigkeiten und Gefahren mutig trotzt. So entstand 
1513 der berühmte Kupferstich: Ritter, Tod und Teufel. In einer 
Ansteren Waldschlucht reitet in voller Rüstung mit geöffnetem Visier 
in ruhig gemessener Haltung ein Ritter auf einem kräftig gebauten, 
Mut atmenden Rosse. Ihm hat sich als Begleiter der Tod auf 
einem dürren Klepper zugesellt. Schlangen winden sich um sein 
Haupt und seinen Hals. Mit der Rechten hebt er das beinahe 
schon abgelaufene Stundenglas empor. Den Ritter kümmert die 
Nähe des Todes so wenig, wie ihn das Ungeheuer mit dem Schweins- 
kopfe und den Bocksbeinen erschreckt, welches ihm nachtrottet. 
Auch die im Sonnenlichte glänzende Burg über der Schlucht, ein 
Bild der Welt, lockt ihn nicht. Unverzagt, im Ausdrucke unbewegt, 
setzt cr den Weg fort, die Furcht dem langhaarigen Köter über- 
lassend, welcher mit gesenkten Ohren neben dem Rosse läuft. 
Kennt man die Entwickelung des Gedankens, welcher dem Stiche 
zu Grunde liegt, so schwindet das Rätselhafte seiner Bedeutung. 
Ein träumerisch poetischer Zug umschwebt denselben, unklar und 
unverständlich aber ist er den wenigsten der Zeitgenossen gewesen. 
Dürer selbst nannte das Blatt einfach den Reiter. Später empfing 
cr mannigfache Taufen. Es galt als Verkörperung eines Sanguinikers, 
als das erste Blatt einer Reihe von Stichen mit Darstellungen der 
vier Temperamente, als Verherrlichung Franz von Sickingens, als 
[lustration des Kirchenliedes: Ein’ feste Burg ist unser Gott. Alle 
diese Bezeichnungen treffen nicht das Wahre. Die allein richtige 
Bezeichnung ist die ebenfalls seit langer Zeit (da und dort) ge- 
bräuchliche: Der christliche Ritter. Schr ansprechend ist dann die 
Vermutung eines neueren Schriftstellers, dass. Dürers grübelnder 
and sinnender Geist in dem Handbüchlein eines christlichen Ritters 
von Erasmus von Rotterdam einen Wegweiser fand. Das „enchiri- 
dion militis christiani‘‘ fand zwar erst seit 1515 in weiteren Kreisen 
Verbreitung. Immerhin konnte es Dürer durch die Vermittelung 
Zrasmischer Verehrer schon früher evekannt haben. Tedenfalls er-
	        
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