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Besondere soziale Fürsorge und Wohlfahrtspflege.
Anfangs des Jahres 1924 vermehrten sich die Schwierigkeiten der vorübergehenden
Unterbringung solcher Mütter mit Kindern, welche aus einer Entbindungsanstalt entlassen,
obdach⸗ und mittellos dastanden, weil die bestehenden Mütter⸗ und Säuglingsheime nicht
mehr ausreichten. In die Marximiliansaugenheilanstalt, die seither vereinzelt solche unter—
kunftslose Mütter mit ihren Säuglingen in entgegenkommender Weise in ihren Räumen
beherbergte, konnten wegen Platzmangel Einweisungen nicht mehr erfolgen. Aus diesen
Grunden wurde in den Räumen des städtischen Anwesens Peter⸗Vischer-Straße (Marstall) am
25. Juni 1924 das „Wöchnerinnenasyl“, gemäß den Beschlüssen des Kinderfürsorgeausschusses
vom 17. Juni 1924 und des Verwaltungsausschusses des Armenrates vom 26. Juni 1924
errichtet. Seit dem fast zweijährigen Bestehen hat sich das Asyl als eine segensreiche Ein—
richtung erwiesen. Die Mütter bilden im Asyl eine kleine Familie und haben ihre Kinder
selbständig zu versorgen, ein gutes Mittel um in den Müttern die Mütterlichkeit und die
Verantwortlichkeit, die oft fehlen, zu wecken.
Die Mütter und deren Kinder haben im Asyl freie Unterkunft, Beheizung und
Beleuchtung. Sie verköstigen sich selbst mit Hilfe der Leistungen der Wochenfürsorge oder
des Krankengeldes. Als Zugabe erhalten sie Lebensmittelpakete, sowie Freimilch durch die
Säuglingsfürsorge. Die Mütter haben die Pflicht, wöchentlich einmal ihre Kinder in der
nächstgelegenen Mutterberatungsstelle vorzustellen. ürztlich überwacht wird das Asyl durch
den Oberarzt der Säuglings— und Kleinkinderfürsorge. Vorhanden sind im Asvyl 5 Betten
für Mütter und 5 Betten für Kinder.
Seit der Eröffnung wurden 38 Mütter aufgenommen mit zusammen 1080 Verpflegstagen.
Kinderfürsorge. Zur Durchführung der wirtschaftlichen Fürsorge ist bei der Zentrale
des Wohlfahrtsamtes eine eigene Kinderfürsorgeabteilung errichtet worden. Beschließende
Körperschaft für diese Angelegenheit ist der innerhalb der Verwaltung des Bezirksfürsorge⸗
verbandes errichtete Kinderfürsorgeausschuß. Der Aufgabenkreis desselben ist in folgenden
Richtlinien niedergelegt, die der Wohlfahrtshauptausschuß mit Beschluß vom 28. Januar 1926
erlassen hat:
„J. Die Zuständigkeit des Kinderfürsorgeausschusses ist im allgemeinen gegeben:
a) in Angelegenheiten der wirtschaftlichen Fürsorge für Kinder, die getrennt von ihren
unterhaltspflichtigen Angehörigen in Aürnberg oder auswärts in Privat- oder Anstalts⸗
pflege unterzubringen oder bereits untergebracht sind.,
d) für Lehrlinge.
In Angelegenheiten der' wirtschaftlichen Fürsorge für Kinder, die mit unterhaltspflichtigen
Angehörigen (Elternteil, Großeltern) dauernd in Familiengemeinschaft leben und bezüglich
deren ein Eingreifen vom Stanoͤpunkt der Jugenoͤfürsorge aus nicht notwendig ist, sollen
m allgemeinen die Wohlfahrtsbezirksausschüsse zuständig sein.
In Zweifelsfällen haben die zuständigen Abteilungen des Wohlfahrtsamtes die
Verhandlungen dem Kinderfürsorgeausschuß zur Prüfung vorzulegen, ob er seine Zu⸗
ständigkeit für gegeben erachtet.
Soweit in einzelnen Fällen, wo sich die Kinder in Familiengemeinschaft mit einem
Elternteil oder den Großeltern befinden, aus Gründen der Jugenéfürsorge die
Zuständigkeit des Kinderfürsorgeausschusses gegeben ist, soll die Fürsorge nicht
iach den aufgestellten Pflegegeldsätzen für Kinder in fremder Pflege, sondern im
allgemeinen unter Zugrundelegung des Familienkindersatzes bezw. der allgemeinen Unter⸗
stützungsrichtsätze des Bezirksfürsorgeverbandes Nürnberg bemessen werden, da in diesen
Fällen eine Entschädigung für Arbeit nicht in Frage kommen kann, sondern die Erfüllung
der Unterhaltspflicht in Betracht zu ziehen ist.“