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hält wohlmeinender Despotismus den Aufschwung des jungen
Adlers zurück, und als er die Fesseln zerrissen, krallt sich Sorge
und Armuth an seine Flügel. Doch immer aufwärts, aufwärts
den Flug! Wie hell da oben die Sonne! wie, klein dort
unten die Erde! Die Genien der Freundschaft und Liebe um—
flattern den kühnen Vogel des Donnerers, und der Götterva—
ter nickt ihm Beifall zu; — da haucht ein giftiger Drache den
stolzen Segler an, wie er arglos über den Wolken spielt; ge—
waltig ringt die innere Kraft mit dem Siechthum — lange,
lange — bis der Starke erschöpft und entseelt zu Boden sinkt.
Der arme Schiller! durchschauert uns das Mitleid, wenn
wir seine vierzehnjährige Leidensgeschichte lesen; der große Schiller!
triumphirt die Bewunderung; denn sie gewahrt die Seelenstärke,
welche der Denker und Dichter den Körperqualen entgegensetzt;
nicht die duldende des Märtyrers, sondern die thätige des Krie—
gers, der mit der Todeswunde gerade am tapfersten ficht. Aus
Mitleid und Bewunderung aber mischt sich am reinsten die Farbe
der Liebe. Dem Helden in der Tragödie fliegen die Herzen zu,
weil er das seltene Beispiel gibt von der Uebermacht des Gei—
stes über die Sinnenwelt und in uns die Ahnung eigner Gött⸗
lichkeit stärkt. Schiller schrieb Tragödien mit dem Herzblut;
denn er lebte ein Trauerspiel; und weil er sein Heldenthum
bewährte bis ans Ende, darum bewundert ihn sein Volk unter
Thränen, darum liebt es ihn. —P
Doch das Unglück eines großen Menschen fesselt uns dann
noch stärker an ihn, wenn seine Seele der unsrigen an—
verwandt ist. Der Gallier spielt mit des Lebens Mächten:
er tändelt mit der Liebe, macht das Eheband zur Rosenkette,
tauscht launenhaft Freiheit und Despotismus, preist das Wort
vor dem Inhalt, erregbar vom Schein, ein Sohn des Augen—
blicks, dem das Ewige wenig Sorge macht. Der Brite schal—