Soziale Fürsorge
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Von besonderer Wichtigkeit war die bayerische Regierungsverordnung vom 14. April
1919, durch welche alle Arbeitgeber in Industrie, Gewerbe und Handel, sowie die staatlichen
und kommunalen Betriebe und Verwaltungen, die bei Ausbruch des Krieges mindestens 10
Arbeiter oder Angestellte beschäftigten, verpflichtet werden konnten, binnen einer bestimmten
Frist zu der bereits beschäftigten Arbeitnehmerschaft Arbeitslose bis zur Höhe von einem Zehntel
der Zahl der bei Kriegsausbruch beschäftigten Angestellten und Arbeiter neu einzustellen. Diese
Verordnung ermöglichte es dem Demobilmachungsamt, insgesamt 10357 beschäftigungslose
Arbeiter und Angestellte in Nürnberger Betrieben und Berwaltungen unterzubringen. Außer—
dem konnten auf Grund der Reichsverordnung vom 28. März 1919 bis zum 31. März 1920 etwa
1900 Stellen für die Besetzung durch Nürnberger Arbeitslose freigemacht werden.
Zur Unterstützung in seiner Tätigkeit stand dem Demobilmachungsausschuß der aus
Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern des Handels, der Industrie und des Handwerks, sowie
je einem Vertreter der Arbeitslosen, der Kriegsbeschädigten und des städtischen Arbeitsamtes
bestehende Prüfungsausschuß zur Seite. Dieser Ausschuß, der dem Demobil—
machungsamt zugleich die erforderliche Fühlung mit Industrie, Handel und Gewerbe vermittelte,
trat allwöchentlich einmal oder öfter zu Sitzungen zusammen und nahm nicht selten auch Ge—
legenheit, Besichtigungen in einzelnen Gewerbebetrieben vorzunehmen.
Zu den Aufgaben des Demobilmachungsausschusses kam in der zweiten Hälfte des
Jahres 1919 auch die Bearbeitung der Angelegenheiten der sogenannten produktiven
Erwerbslosenfürsorge. VDach dem Onkrafttreten des Betriebsrätegesetzes hatte das
Demobilmachungsamt überdies die Behandlung von Streitfällen aus diesem Gesetz im Rahmen
der Zuständigkeit des Bezirkswirtschaftsrates zu übernehmen. Außerdem wurde das Demobil-
machungsamt seit seinem Bestehen in ausgiebigstem Maße in Anspruch genommen durch das
Rat und Auskunft in Wirtschaftsfragen suchende Publikum. In zahlreichen Fällen konnte,
soweit die den Demobilmachungsausschüssen gesteckte Zuständigkeit dies zuließ, bei Meinungs—
verschiedenheiten vermittelnd eingegriffen und dadurch die Tätigkeit der Schlichtungsausschüsse
nicht unbeträchtlich entlastet werden.
u. Lehrwerkstätten des städtischen Elektrizitätswerkes. .
Organisation. Die mit der Lehrwerkstätte Voritzerstraße 24/28 erzielten guten Er—
fahrungen, die Schwierigkeit, den vielen Wünschen seitens der schulentlassenen Jugend in bezug
auf Beschaffung von guten Lehrstellen im Mechanikerberuf gerecht zu werden und die Not—
wendigkeit, wenigstens einen Teil der infolge Kriegsschlusses plötzlich arbeitslos gewordenen
nur teilweise oder auch gar nicht beruflich ausgebildeten jungen Arbeiter der bisherigen Kriegs—
industrie passende Arbeit und gute Fachausbildung zu bieten, veranlaßte den Stadtrat auf An—
regung des Studiendirektors Möhring zur Gründung einer neuen Lehrwerkstätte im An—
wesen Parkstraße 28. Die in Aussicht genommenen Räume sind das hohe Erdgeschoß
und 2 Obergeschosse von je 200 bis 280 qm Bodenfläche des geräumigen Hinterhauses, das
während des Krieges als Militärlager gedient hatte. Die Einrichtungsarbeiten wurden dem
städtischen Elektrizitätswerk im Benehmen mit dem städtischen Bauamt übertragen und hierfür
sowie für die ersten Betriebskosten ein Betrag von 208 914,62 M zur Verfügung gestellt.
Tätigkeit. Schon bei den Einrichtungsarbeiten, die in der kurzen Zeit vom 20. März
bis 25. Mai 1919 bewältigt werden konnten, wurden 40 der arbeitsfrohen jungen Leute be—
schäftigt. Infolge der schnell steigenden Preise machte die Beschaffung der Werkzeugmaschinen,
Geräte, Werkzeuge und Materialien in der kurzen Zeit nicht geringe Schwierigkeiten. Mit
155 Lehrlingen im Alter von 1421 Jahren wurde der Betrieb am genannten Tage eröffnet.
Davon sind während der Berichtszeit 5 ausgetreten ohne ihr Ziel erreicht zu haben, während
4 ihre Lehre beenden konnten und anderweitig Arbeit fanden. 6 Lehrlinge wurden neu auf⸗