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Soziale Fürsorge
b) Räume, die zwar zu Wohnzwecken vermietet sind, tatsächlich aber nicht bewohnt werden,
c) Wohnräume, deren Inhaber noch über eine andere Wohnung, wenn auch in einer anderen
Gemeinde, verfügen. Mieter und Bermieter können in derartigen Fällen unverzüglich, nachdem
ihnen die Aufforderung zur Räumung zugegangen ist, das Mieteinigungsamt anrufen. Dieses
kann die Aufforderung für unwirksam erklären oder besondere Bedingungen für die ÄÜberlassung
der Räume festsetzen; insbesondere kann es bestimmen, daß die Gemeinde en Stelle des Woh—
nungssuchenden als Mieter gilt und berechtigt ist, die Mieträume dem Wohnungssuchenden
weiter zu vermieten. Auf Anrufen des Bausbesitzers entscheidet das Mieteinigungsamt auch
über die Berpflichtung zur Herrichtung oder Kostenzahlung der von der Gemeindebehörde be—
schlagnahmten Wohnungen.
Organisation. Die Mieteinigungsämter setzen sich nach gesetzlicher Vorschrift zusammen
aus einem Vorsitzenden, der zum Richteramt oder höheren Verwaltungsdienst befähigt sein muß,
und aus zwei Beisitzern, die zur Hälfte dem Kreise der Hausbesitzer und dem der Mieter angehören
müssen, ferner aus einem Schriftführer.
Das Mieteinigungsamt verhandelt und entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung. Vor
der Entscheidung wird der Gegner des Antragstellers gehört. Die Entscheidungen erfolgen nach
billigem Ermessen; es wird in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Parteien
hingewirkt. Das Verfahren vor dem Einigungsamt ist gebührenfrei; es kann jedoch die Zahlung
einer Gebühr auferlegt werden, wenn nach dem Ermessen des Einigungsamtes die Anrufung
nutwillig erfolgt ist. Das Einigungsamt kann auf Antrag oder von Amtswegen Beweise
erheben, insbesondere Zeugen und Sachverständige eidlich vernehmen, sowie Versicherungen an
Eidesstatt entgegennehmen, ferner vor der Entscheidung einstweilige Anordnungen erlassen.
Die Entscheidungen des Einigungsamtes erfolgen durch Beschluß und sind unanfechtbar. Die
Mitglieder des Einigungsamtes haben über die Verhandlungen, sowie über Umstände, die dabei
zu ihrer Kenntnis kommen, Verschwiegenheit zu beobachten. Die bisher den 6 Kriegsfürsorge—
bezirken angegliedert gewesenen Mieteinigungsämter wurden vom 14. Juli 1919 an aufgehoben
und vom gleichen Zeitpunkte ab 3 Mieteinigungsämter für den Stadtbezirk Nürnberg errichtet
und zwar: 1. Stadtbezirk, Sebalder Seite, Geschäftsstelle Uhlandstraße 33, 2. Stadtbezirk,
Geschäftsstelle Schloßstraße 25 1, 3. Stadtbezirk, Fürther Straße 77. Den Vorsitz in den Sitzungen
führen seit 14. Juli 1919 abwechslungsweise hiesige Rechtsanwälte. Diese erhalten für je eine
Sitzung eine Entschädigung von 25 M. Die Beisitzer erhalten eine Entschädigung von je 8 M
für die Sitzung.
b. Siedlungswerk Nürnberg.
Allgemeines. Das Siedlungswerk Nürnberg, das die größte geschlossene Wohnsiedlung
in Deutschland darstellt, die mit Hilfe von Baukostenzuschüssen errichtet worden ist, hat eine
sehr bewegte Geschichte. Es ist entstanden in den unruhigen Märztagen des Jahres 1919, als
nach den politischen Morden in München und der Sprengung des Landtages die staatliche Zentral⸗
gewalt schwer erschüttert war und die Gefahr eines weiteren Umsturzes und völliger Anarchie
in Bayern drohte. Um das Außerste hintanzuhalten, erschien damals, in Ausführung eines
Beschlusses des Vollzugsausschusses beim Gen.Kdo. des III. bayer. A.K., in den Straßen
Nürnbergs ein Plakat, durch das der Bevölkerung u. a. auch die Durchführung eines großen
Siedlungswerkes im Nürnberger Reichswald versprochen wurde.
Am 10. März 1919 trat die Sie dlungsstelle für Nordbayern, die zuerst
die Bezeichnung „Siedlungsstelle beim Kdo. III. A.K.“ führte, ins Leben. Es hielt an diesem
Tage das zur Leitung des neuen Unternehmens bestellte Organ, die Sie dlungskom—
mission, seine erste Sitzung ab. Die Siedlungsstelle sollte für ganz Nordbayern, d. h. die
Kreise Ober⸗, Mittel-, Unterfranken und die Oberpfalz, tätig werden. Vorgesehen waren 3 Arten