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Schleupner und Venatorius abgefaßtes, das sich zum Teil sehr heftig
gegen die Päpstlichen ausließ. Der Rat hielt sich daher an einen
von den evangelischen Geistlichen des Markgrafen Kasimir ausgear—
beiteten Ratschlag. Der Markgraf, sonst der heftigste politische Gegner
der Stadt, hatte bereits Ende August 1524 mit der Stadt Nürnberg
und einigen anderen Ständen des fränkischen Kreises gemeinsam in dieser
Sache vorzugehen beschlossen. Es war das erste Mal, daß Nürnberg
und Brandenburg sich gegenseitig zur Regelung ihrer Religionsan—
gelegenheiten die Hände reichten.
Ein kaiserliches Mandat vom 15. Juli 1524 erregte vorüber—
gehend große Bestürzung. Es wurde darin die Versammlung in Speier,
auf die die evangelischen Stände so große Hoffnungen gesetzt hatten,
überhaupt alle „Disputationen“ in Glaubenssachen verboten und die
Befolgung des Wormser Edikts von neuem unter bedrohlichen Äuße—
rungen eingeschärft. Aber auf einer neuen Versammlung der fränkischen
Stände in Rothenburg (Mitte Oktober 1524) wurden namentlich auf
Betreiben Nürnbergs, das eine besonders kühne und entschlossene Hal—
tung annahm, zwölf „tapfere christliche“ Ursachen aufgesetzt, warum
man dem kaiserlichen Mandat nicht gehorchen könne. Durch Nürnbergs
Bemühungen kann dann auch ein allgemeiner Städtetag in Ulm
(Dezember 1524) zu Stande, auf dem man ein vorsichtiges Schreiben
an den Kaiser abzufertigen beschloß und auch den schwäbischen Bund
für die Sache der Glaubensfreiheit zu interessieren suchte. Bald jedoch
stellte es sich heraus, daß von dem Kaiser, der durch seine Händel
mit Franz J. von Frankreich allzusehr in Anspruch genommen war,
keine ernste Gefahr zu befürchten sei.
Unterdessen hatte man in Nürnberg endlich mit einer entschiedenen
Umgestaltung des Gottesdienstes begonnen, um damit für immer, wie
eine alte Chronik sich ausdrückt, „dem Papste Urlaub zu geben.“ Zu—
nächst war das sehnsüchtige Verlangen des Volks nach dem Abend—
mahl in beiderlei Gestalt gestillt worden. An 3—4000 Menschen
empfingen in der Charwoche 1524 von dem Augustinerprior Volprecht
den Kelch, wobei sich auch — trotz des ausdrücklichen Verbots des
Kardinallegaten — „etliche Regimentsherren und andere Grafen und
Herren beteiligten.“ Volprecht las auch bereits die Messe deutsch,
nachdem er zuvor die den Lutheranern anstößigen Teile daraus aus—
geschieden hatte. Seinem Beispiel folgten die Pröpste der beiden
Pfarrkirchen. Sie begannen das Evangelium und die Epistel deutsch
zu lesen, vollzogen die Taufe in deutscher Sprache und schafften auch
die Seelmessen und Jahrestäge der Verstorbenen, das Weihwasser und
geweihte Salz ab. Wie Volprecht änderten sie gleichfalls die Messe