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er die nächsten Grade sich erwarb. Erst mit dem Jahre
1512, zu einer Seit, da Wenzel bereits Doktor und Mit—
glied des theologischen Senates und schon ein Jahr Prior
des Klosters war, nahm er dort wieder dauernden Aufent—
halt. Unzweifelhaft aber traten die beiden Brüder, die im
Anfange einer gleichen Laufbahn begriffen waren, sich schon
damals näher und jene im März 1509 von Luther gegen
den eisenacher Geistlichen Braun an den Tag gelegte Liebe
zur Theologie, die früher so viel Schreckhaftes für ilm
hatte, scheint in ihrem gemeinsamen Studinum, wenn nicht
Ursprung, so doch erfreuliche Pflege gefunden zu haben.?)
Ehe wir Linck's Dozentenlaufbahn verfolgen, möchte
ich darauf hinweisen, daß die aufgestellte Behauptung,?)
Linck und Luther seien Ende 1508 zunächst als Schüler an
die Hochschule berufen worden, sehr cum grano salis zu
verstehen ist. Es lag in der wunderlichen Folge der graduell
gemäß der damaligen Anschauungsweise unterschiedenen
Lehrlizenzen zu den einzelnen theologischen Disciplinen, daß
der Dozent eine bestimmte Reihenfolge der Vorlesungen inne—
lhalten mußte und so in seiner Eigenschaft als biblischer
Ereget noch als Prüfling für die Erlaubnis zum Lesen über
die Sentenzen erscheint. In Wahrheit aber läßt ein etwas
mehr denn halbjähriger Zwischenraum zwischen beiden Be—
werbungen neben akademischem Lehramt und klösterlichen
Pflichten kaum ein erst ausbildendes Erlernen zu und Luther
bedauert selbst im März 1509, daß er als philosophischer,
nicht von Anfang an als theologischer Lehrer angestellt sei.“)
Wenn ferner Bendixen den damaligen Stand der
wittenberger Hochschule als gesunken und zu hebend bezeichnet,
so beruht dies auf einer gänzlichen Verkennung der Sach—
lage. Die Zahl der im ersten Jahre eingeschriebenen Stu—