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zuheben ist. Ferner sind die Farben dieser Fabrik absolut arsenfrei, da
die Arsensäure nicht mehr als Reduktionsmittel angewendet wird. Immer
mehr und mehr erhalten die Teerfarben auch die Eigenschaft der Aechtheit
und heute ist schon festgestellt, dass die sog. Naphtalin- Ponceaux die
Cochenille an Waschächtheit übertreffen, dass das Bordeauxrot ebenso beständig
als die Orseille und das Nigrosin oder Anilinschwarz kaum zerstörbar ist.
9. Die Leinen-Industrie, die sich mit der Verarbeitung des Flachses
und des Hanfes befasst, ist in Deutschland eine uralte, denn ausser Tacitus
liefern uns Ueberreste aus der vorhistorischen Zeit der Pfahlbauten die
sichersten Beweise dafür, dass dieses Material nicht nur versponnen und
verwebt, sondern namentlich auch zu künstlerischem Flechtwerk insbesondere
Netzen vielfach Verwendung gefunden hat. — Neben der Wolle war die
Faser der Flachspflanze Jahrhunderte hindurch das einzige Textilmaterial,
welches selbst gewonnen und verarbeitet, dem deutschen Volke zur Bekleidung
und mancherlei anderen Zwecken diente, weil bis dahin Baumwolle fast
unbekannt und Seide nur für die Reichen des Landes zu haben war. Daher
erfreute sich die Flachs-Industrie, zwar lange Zeit hindurch ausschliesslich
als Hausindustrie, nicht nur einer sehr bedeutenden Ausdehnung, sondern
auch einer besonderen Pflege und Hochschätzung, die selbst so weit ging,
dass Karl der Grosse nur Hemden trug, die seine eigenen Töchter gewebt
hatten. Als die Leinenverarbeitung später mehr und mehr in die Hände
von Gewerbetreibenden überging, gehörte sie Jahrhunderte lang zu den
ausgedehntesten und lohnendsten Erwerbszweigen Deutschlands, namentlich
auch Bayerns. Getragen von der Erzeugung des Rohproduktes im eigenen
Lande deckte sie nicht nur dessen eigenen Bedarf, sondern erübrigte ausserdem
solche Menge Garn und Gewebe, dass noch zu Anfang dieses Jahrhunderts
ein Export im Werte von 60,000,000 Mark nach England, Spanien und
überseeischen Kolonien stattfinden konnte. — In hervorragend hoher Blüte
stand die Leinen-Industrie in Bayern und zwar in Augsburg vom 15. bis
zum 17. Jahrhundert. Schon im 10. Jahrhundert war zwar die Leinen-
Weberei in Augsburg von grosser Bedeutung, den grössten Aufschwung
jedoch erhielt sie im 15. Jahrhundert in erster Linie durch die Familie
Fugger, deren Gründer Hans 1370 als Leinwebergesell nach Augsburg kam
und bald zu so hohem Ansehen gelangte, dass das Haus Fugger Jahrzehnte
lang durch die ausgedehntesten JHandelsbeziehungen fast den Weltmarkt
beherrschte. In Folge dieser Einflüsse befanden sich im Jahre 1610 in Augs-
burg 6000 Leinwebermeister, welche jährlich 7 0,000 Stück gebleichte Leinwand
der verschiedensten Feinheit und 475,184 Stück Barchentgewebe aus Leinen
kette und Baumwolleinschlag fabrizierten. Die mächtige deutsche Hansa ver
trieb diese Produkte der Weberei nach allen Weltgegenden, so dass die
Leinenmanufaktur unermesslichen Reichtum nach Augsburg brachte.
Die Religionskriege richteten dann die deutsche und insbesondere die