Metadaten: Berichte über die Bayerische Landes-Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung zu Nürnberg 1882

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herzustellen waren. Im Allgemeinen liess sich erkennen, dass sich alle Aus- 
steller bemüht hatten, neben der Vorführung besonders sorgfältig in Bezug 
auf Form und Technik gearbeiteter Waren, wie solche wohl hier zu Lande 
verkäuflich sind, auch noch ihre Exportfähigkeit über den ganzen Weltmarkt 
hin in gebührendes Licht zu setzen, denn darauf beruht ja die Hauptbe- 
deutung dieser Industrie für Bayern. Wenn man sich daher recht wohl 
ein ganz klares Bild des heutigen Standes entwerfen konnte, so muss um 
so schwerwiegender die Bemerkung fallen, dass in Bezug auf kunstgewerb- 
liche Leistungen bis heute noch sehr wenig geboten wird, obwohl gerade 
dieser Industriezweig mit einem so mannigfachen, schönen und formbaren 
Materiale einer hohen künstlerischen Ausbildung in äusserer Gestaltung 
und technischer Bearbeitung unterzogen werden könnte. Beispiele davon 
finden wir genügend in den ethnographischen Museen und Sammlungen an 
den charakteristisch schönen und künstlerischen Flechtarbeiten Chinas, 
Japans und Indiens! 
Die Pfalz war in dieser Sparte gar nicht vertreten, obwohl gerade 
dort von Seiten der k. Regierung auf die Hebung und Ausbreitung dieser 
Industrie alle Sorgfalt verwendet wird. Allerdings erstreckt sich die Thätig- 
keit dortselbst weniger auf Luxus und Zierarbeiten, als mehr auf Gegen: 
stände des wirtschaftlichen und häuslichen Gebrauches. 
Wie wichtig für ein Land die Erhaltung und sorgfältigste Pflege einer 
derartigen Industrie ist, beweist zur Genüge der Umstand, dass gegenwärtig 
im Bezirke Lichtenfels allein gegen 3000 Arbeiter beschäftigt sind, wodurch 
ein jährlicher Umsatz von etwa 4 Millionen Mark erzielt wird. Nach den 
mir freundlichst von Herrn Korbwarenfabrikant G. Gagel in Lichtenfels 
zugestellten Notizen geht hervor, dass die Korbwarenindustrie im Bezirke 
Lichtenfels aus kleinen Anfängen nach den russisch-französischen Kriegs 
jahren entstanden sei, zu welcher Zeit sich die Fabrikation nur auf ordi- 
näre Arbeiten aus Weiden beschränkte und erst in den 40er Jahren 
jebensfähiger wurde, als man anfing die feinsten französischen Muster in 
Geschmack, Form und Flechtart, und zwar wesentlich billiger, herzustellen. 
Von da ab datiert sich auch der Export nach allen Weltrichtungen, ja selbst 
nach Frankreich, trotzdem man erst von dorther die Weiden beziehen 
musste. Später wurden die elegantesten Artikel auch aus anderen Mate- 
rialien als Rohr, Espartogras aus Spanien und Palmenfaser aus Südamerika, 
Lackrohr, Bänder, Kordeln, Pfauenfederstielen ete. fabriziert und zwar SO 
billig, dass bis heute keine auswärtige Konkurrenz aufzukommen vermochte, 
Der Aufschwung dieser Industrie hatte denn auch in den 60er Jahren eine 
Ausdehnung nach dem Bezirke Kronach und den angrenzenden sächsischen 
Ortschaften mit Koburg zur Folge. Dass das Streben dieser Industrie und 
der Erfolg eines ununterbrochenen wachsamen Eifers noch in höherem Grade 
sich lohnen wird, ist hauptsächlich davon abhängig, dass die Weidenkultur 
in Deutschland, der man jetzt allenthalben, besonders in der Pfalz, erhöhte 
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