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mit der in der Londoner Nationalgallerie befindlichen Grablegung jenes
Meisters der brabanter Schule, welcher auf die realistische Wiedergabe
des Einzelnen Nachdruck legt, aber noch zuweilen in steifen und harten
Formen malt. Anklänge in den Motiven und in der Gruppierung
sind besonders auffällig.)
Decker ragt durch seine Grablegung aus der Schar der übrigen
unbekannten Meister in Nürnberg hervor, und darin, daß er um diese
Zeit schon so energisch eine realistische Nachbildung der Form und die
Außerung seelischer Affekte betont, steht er einzig in der deutschen Kunst
da. Man kann mit ihm, so schrieb schon Fiorillo?), die zweite Epoche
beginnen, die bis auf Krafft geht.
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Im Ausgang des Mittelalters hatte das vielseitige und erfindsame
Nürnberg, damals die Königin der deutschen Städte, hauptsächlich das
große Verdienst gehabt, den deutschen Geschmack bestimmt und eine
besondere Kunstfertigkeit hervorgerufen zu haben. Weltberühmt wurde
es durch seinen feinen Kunstsinn, der sich in vortrefflichen Arbeiten in
Gold und Silber offenbarte. Nürnberger Erzeugnisse wurden in ganz
Deutschland hoch geschätzt, und sogar das bedeutende Augsburg, das
damals tüchtige Künstler aufzuweisen hatte, wandte sich mit Aufträgen
an Nürnberger Meister.?)
Alle Zweige der Kunst fanden in Nürnberg, wo der Handel in
vollster Blüte stand, ihre besondere Pflege. Man kann sagen, der
Sinn für das Schöne, Gefällige, Kunstreiche beherrschte alle Stände.
Liebevolle Sorge für die Ausschmückung der Stadt, die etwas von der
Rührigkeit von Florenz gehabt haben muß, war immer im Busen des
Nürnbergers lebendig. Gleichsam wie mit Weib und Kind war er
mit der Stadt verbunden, und ihr Wohlergehen hing ihm wie Glück
und Friede im eigenen Heim am Herzen. Aber besonders war es die
Religiosität der vermögenden Klassen, welche größere Kunstwerke be—
stellte. Man wollte Gott verherrlichen, indem man die Kirchen mit
Darstellungen aus der Geschichte der Maria und Christi zierte. Von
) Daß Magdalena am Grabe kniet, scheint im fünfzehnten Jahrhundert
typisch geworden zu sein; Adam Krafft hat es auf beiden Grablegungen.
) Fiorillo, Geschichte der zeichnenden Künste in Deutschland, Hannover 18186,
Bd. J, p. 2656.
2) Paul von Stetten, Kunst-Gewerbe und Handelsgeschichte von Augsburg.
Bd. J, p. 210, und Jägers kleine Chronik von Augsburg.