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Zunftgeist wiederum seinen Einzug in die Bleistiftmacher-
Korporation.
Zu was für komischen Forderungen man bei solchen
Anschauungen oft kam, sehen wir recht gut aus den Ver-
handlungen über das Aufnahmegesuch eines Gostenhofer
Bleistiftmachers, namens Meinetsberger;!) diesem wird
seine Bitte abgeschlagen, weil er seine Stümpelei erst seit
kurzer Zeit, und nicht schon viele Jahre lang betreibt;
denn nichts anderes kann es heissen, wenn die Ge-
schworenen erklären, dass sie „ihn als einen erst ent-
stehenden Bleistiftmacher ohnmöglich annehmen könnten“,
Dass damit die Stümpelei recht eigentlich gross gezogen
wird. sieht dabei keiner ein.
Zu dem geschilderten Wiederaufleben der alten zünft-
lerischen Engherzigkeit tragen wesentlich bei die noch
vorhandenen Männer aus der früheren, rein handwerks-
mässigen Epoche, Sie verstehen es, ihre Ansichten all-
mählich auch auf die anderen zu übertragen. So lesen
wir im Jahr 1794 besonders von dem damaligen ältesten
Geschworenen Jäger, dass er auf das äusserste gegen die
Aufnahme eines Auswärtigen protestiert, der den An-
forderungen nicht genüge, und dass er auch zwei von den
neuen Meistern auf seine Seite gebracht hat.?)
Wenn das vorliegende Gesuch schliesslich doch ge-
nelımigt wird, so kommt dies einerseits daher, dass das
Rugsamt die Sache vorurteilsloser betrachtet, andrerseits
aber von persönlichen Rücksichten, welche die beiden
andern?) Geschworenen bewegen, gegen das Votum ihres
Kollegen Jäger zu stimmen, *)
Bei anderen Gelegenheiten herrscht dagegen die
schönste Einmütigkeit; die Interessen sind eben zu mächtig
und die vermeinte Möglichkeit. sich vor anderen Vorteile
1) Rugsamts-Prot. 3. April 1794, f. 79.
2) Rugsamts-Prot. 21. Aug. 1794. f. 169.
3) Über die Geschworenen-Anzahl s. unten
4) Rugsamts-Prot. 21. Aug. 1794. f. 169a.