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Karl von Reinhardstoettner
Zu Johannes Paulis „Schimpf und Ernst“.
VON
Karl von Reinhardstoettner.,
n den eingehenden „Nachweisen“ seiner Ausgabe von Johannes
Paulis „Schimpf und Ernst“ (Stuttgart 1866, 85. Band der Bi-
bliothek des Litterarischen Vereins) erschöpft Hermann Osterley
so ziemlich das ganze litterarische Gebiet, indem er die einzelnen Er-
zählungen in alle Länder verfolgt. Um so interessanter erscheint es,
das dort gesammelte Material durch zufällige Funde zu erweitern und
zu ergänzen. Die durch Platens „Romantischen Odipus“ (Bd. IV,
S. 126 der Cottaschen Ausgabe) bekannte Geschichte von dem „vom
Eiszapfen empfangenen Kinde“ (Glacies ismar hiesz das kind 208,
S. 138, 139) findet sich auch in einer von Osterley (S. 497) nicht
genannten Schrift des lutherischen Predigers Kaspar Brunmylleus
zu Geifslingen, deren dem Bürgermeister Georg Hartbrunner zu
Ulm gewidmete Vorrede das Datum vom 7. Heumonat 1558 trägt.
Dies Büchlein führt den Titel:
Von dem vner | lichen / schädliche / vnnützen / gefährlichen / Gott-
losen vnd ver- | damlichen Laster defs Ehebruchs / ein Ver- | manung
warumb wir solchen fliehen | sollen / zusamen gezogen | durch
M. Gaspar Brunmylleum. | Getruckt zu Pfortzheym bey | Georg
Raben / 1560 | 80 fol.
Von Brunmylleus, den Goedeke u. a. nicht nennen, besitzt die
Münchener Kgl. Hof- und Staatsbibliothek noch eine weitere Schrift
gegen Trunkenheit (Tübingen 1557; u. Strafsburg s. a.)
Die fragliche Erzählung lautet bei Brunmylleus mit mannigfacher
Anlehnung an Johannes Pauli also:
(fol. 17b.) „Gleichsfalfs sagt auch Syrach am drey vn zwentzigsten
capitel: Ein schandtlichn gedechtnufs wirt die Ehebrecherin hinder
ihr lassen / vnnd ihr schmach vnd schand wirt nimmer mehr abgetilckt.
Ihre kinder werden nicht wurtzlen / vnnd ihre est werden kein frucht
bringen / Welches dann einer frauwen zu Venedig begegnet / wie im
Buch Schimpff vnd Ernst verzeichnet wirdt / die einen Kauffmann hatt /
Diser war auff ein zeyt sehr lang aufs gewäsen (als sie etwan wo sie
in die Heydenschafft reisen / ein yar oder drey aussen bleyben) So
er aber widerumb heim kam / da fandt er ein hüpschs Knäblin in
seinem Haufs lauffen / das hett ein weyfs härlen / Der Man sprach:
Liebe Haufsfrauw wefs ist das hüpsch Knäble: Es ist warlich ein
hüpschs schöns lustigs vnnd mallechtigs Knäble. Die Fraw sprach:
Ach Haufswirt es ist mein / sol ich dir nit grofs ding sagen / wie es