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Zeit. Die Behandlung der sogenannten Judenfrage halte
stets gleichen Schritt mit dem Stande der Gesittung und
Humanität, bei Nationen wie bei Einzelnen. !)
durch seine Vorstellungen die Ausfertigung einer Urkunde (d. Prag
16. November 1349) erwirkt, in welcher dem Rat und den Bürgern
zu Nürnberg gestattet wird, »dass sie all die Judenhäuser zu Nürn-
berg, die gelegen sind zwischen Franz des Hallers und Fritzen des
Beheimbs Häusern, die zu mittelst zwischen den zweien Strassen und
gegen Ulrich des Stromeiers Haus gelegen sind, abbrechen mögen,
und sollen daraus machen zween Plätz die ewiglichen also bleiben
und zu der Stadt gehören: gemeiniglichen und also dass fürbass
nimmermehr darauf kein Haus’ soll gemacht werden, ausgenommen
dass man aus der Judenschul soll machen eine Kirche in St. Marien
unserer Frauen Ehre und die legen auf den grossen Platz an eine
solche Statt, da es die Burger allerbest dünkt«. Ulrich Stromer
wurde für seine Anregung reich belohnt. Drei Tage nach Aus
stellung der angeführten Urkunde schenkte ihm ‚der Kaiser das
Judenhaus, des Isaak von Scheslitz »neben der Badstuben am Zotten:
berg« (dem jetzigen Dötschmannsplatz) und ein Jahr darauf das
angrenzende Haus »des Juden und Kammerknechtes« Gottschalk
von Stain. S. die betreffenden Urkunden bei Würfel S. 130—133.
Der von Ulrich‘ Stromer erwirkte »Gnadenerlass« des Kaisers
hatte für die Juden Nürnbergs (damals über 2000 Seelen) entsetzliche
Folgen. Der Pöbel ‚begnügte sich natürlich nicht mit der erlaubten
Niederreissung der Judenhäuser, sondern scheint damit eine all.
gemeine Judenplünderung verbunden zu haben, die mit einer Massen-
ermordung der Schutz- und Wehrlosen endigte. Sicher ist, dass am
5. Dezember 1349 — kaum drei Wochen nach Erlass des kaiser
lichen Freibriefes auf Zerstörung der Judenhäuser — an 570 Juden,
Männer, Frauen und Kinder, erschlagen oder verbrannt wurden.
Die Namen der Märtyrer sind in dem zum Zwecke ihres Seelen
gedächtnisses angefertigten »Martyrologium des Nürnberger Memor-
buches«, herausgegeben von Dr. Salfeld S. 219—229 aufgezeichnet
Vgl. ‘hierzu Hegel, Städtechroniken 1, S. 9, 25, 351. Stobbe, die
Juden in Deutschland während des Mittelalters S. 54 ff. Reicke
Geschichte der Reichsstadt Nürnberg S. 228 ff. ;
1) Nach Bericht des Korrespondent vom 9. September 1874
and mündlicher Mitteilung.