Volltext: Kaiser Wilhelm der Erste

55 
den Höhen rings um Sedan aufgestellt, Tod und Verderben in 
die aufgelösten Scharen des zurückweichenden Feindes, und in 
wilder Flucht stürmte und drängte sich der wirre Knäuel von 
Menschen und Pferden durch die engen Festungsthore in die 
Stadt. Der König hatte von einer Anhöhe aus aufmerksamen 
Blicks den Gang der Schlacht verfolgt. Jetzt gewahrte er eine 
weiße Flagge auf den Wällen der Festung und gab Befehl zum 
Finstellen des mörderischen Feuers. Bald darauf überbrachte ihm 
ein französischer General ein Schreiben Napoleons, das die Worte 
enthielt: „Da es mir nicht vergönnt war, inmitten meiner Truppen 
zu sterben, so lege ich meinen Degen in die Hände Eurer Majestät.“ 
Aber nicht nur der Kaiser, das ganze Heer mit allen Offizieren 
war kriegsgefangen. Es war ein beispielloser Sieg, wie ihn die 
Welt noch nicht gesehen hatte, und mit frohem Herzen teilte ihn 
der König am folgenden Tage seiner Gemahlin mit in einem 
Telegramm, das mit den demütigen Worten schloß: „Welch' eine 
Wendung durch Gottes Fügung!“ 
Napoleon hatte am 2. September in aller Frühe Sedan 
verlassen. In dem nahe gelegenen Schlößchen Bellevue traf er 
mit dem König zu einer kurzen, von ihm erbetenen Unterredung 
zusammen, tief ergreifend für beide Herrscher. Dann verließ er, 
in Verbannter und Gefangener, den französischen Boden, um 
sich nach dem Schlosse Wilhelmshöhe zu begeben, das ihm der 
Koönig vorläufig zum Aufenthaltsorte anwies. Im Laufe des 
Nachmittags aber besuchte der König in fünfstündigem Ritte seine 
siegreichen Truppen, die ihn mit stürmischem, endlosen Jubel 
begrüßten. 
Am folgenden Tage, den 8. September, unterzeichnete er 
die von Moltke abgeschlossene Kapitulation. Bei der Mittagstafel 
aber erhob er sein Glas und brachte folgenden Trinkspruch aus: 
„Wir müssen heute aus Dankbarkeit auf das Wohl meiner braven 
Armee trinken. Sie, Kriegsminister von Roon, haben unser 
Schwert geschärft, Sie, General von Moltke, haben es geleitet, 
und Sie, Graf von Bismarck, haben seit Jahren durch die 
Leitung der Politik Preußen auf seinen jetzigen Höhepunkt ge— 
bracht. Lassen Sie uns also auf das Wohl der Armee, der drei 
von mir Genannten und jedes einzelnen unter den Anwesenden
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.