Inhaltsverzeichnis: Zu Nürnberg

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„O wehl“ dachte ich und sah das schöne, bleiche Mäd— 
chen prüfend an. 
„Vater,“ wandte sich dieses an den alten Mann, „ich geh' 
zur Stickerin um Heimarbeit zu holen.“ 
Ein Hustenanfall erstickte die sanfte, etwas müde klingende 
Stimme. Sie zog das Tuch fester um die schmalen Schultern 
und eilte die enge Straße hinab. 
„Guter Mann! Euer Kind ist krank!“ sagte ich, „laßt's 
nicht viel sitzen und arbeiten!“ 
„Ja, sie ist immer nicht recht gesund,“ erwiderte er, „aber 
die Not ist halt groß! Ich bin fast blind und die kleine Pension 
reicht nicht aus für uns zwei, da hilft halt die Lisbeth noch mit 
ihren geschickten Händen. Sticken kann sie Euch, Herr, das 
glaubt ihr nicht! Die Läden, für die sie arbeitet, geben ihr 
ganze Berge von Arbeit. So schön macht's aber auch keine 
Stickerin mehr in ganz Nürnberg, sag ich Euch!“ 
„Schön ist's ja, daß Eure Tochter so geschickt ist,“ sprach 
ich, „aber röter werden die Wangen nicht bei dem vielen Nähen! 
Ich möchte ihr so ein paar Wochen im grünen Walde gönnen, 
da sollt' sie bald anders aussehen!“ 
„Wär mir schon recht, wenn sie rötere Backen hätt'!“ 
meinte der Alte, „aber sie läßt sich nichts einreden. Sie könnts 
ja besser haben, des Nachbars Sepp, der junge Schreinermeister, 
hätt' sie schon lange gern zum Weib. Sie will halt nichts 
wissen davon! Wißt Ihr, Herr, wenn ein Mädel mal was im 
Kopfe hat, dann gehts nimmer raus! Sie wartet noch immer 
auf den Maler, der vor zwei Jahren hier hinten die Stadtmauer 
abgemalt hat! Der hat gar arg mit ihr gethan, hat „ihr Bild“ 
gemacht und hats „die weiße Lilie“ genannt. In der Ausstellung 
in München hat er's hernach teuer verkauft. Den Lilienstock hat 
er ihr auch zum Andenken geschenkt, drum pflegt sie ihn so! 
Mir soll's recht sein, wenn er wieder kommt und sie holt. 
Versprochen hat er's ja, aber ich glaub's nimmer. „Rünstlerblut 
thut selten gut!“ —
	        
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