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Uber den allmählichen Verfall des „Schönen Brunnens“ und die Wieder⸗
herstellung durch Kunstschuldirektor Reindel schreibt Bergau:
„Während der Uriegsstürme des siebenzehnten Jahrhunderts, als die Kräfte
der Stadt vielfach in Unspruch genommen wurden, konnte man dem „Schönen
Brunnen“ leider nicht die ihm nötige Pflege angedeihen lassen. Auch hatte Niemand
Interesse dafür, da die Geschmacksrichtung sich allmählich vollständig verändert hatte.
Gothische Formen kannte man nicht, verstand man nicht. Der alte Schöne Brunnen
verfiel. Ja man wollte ihn sogar fortschaffen und statt seiner, mitten auf dem
herrn⸗Markt einen neuen, großartigen Bronze-Brunnen errichten. Derselbe wurde
im Jahre 1660 auch vollendet, ist aber nie aufgestellt worden, sondern, nachdem
er lange in einem Magazin auf der Peunt gestanden, am Ende des achtzehnten
Jahrhunderts um 60000 Gulden nach Petersburg verkauft worden.“) Daß der
Schöne Brunnen“ im achtzehnten Jahrhundert nicht vollständig abgebrochen worden
ist, haben wir nur als einen besonders glücklichen Zufall zu betrachten. Er verfiel
bei seiner gänzlichen Vernachlässigung so sehr, daß sein Zustand schließlich gefahr⸗
drohend wurde und man sich endlich im Jahre 1792 gezwungen sah, Hand an den—
selben zu legen. Doch begnügte man sich damit, die schadhaften Teile zu entfernen
und einzelne Ornamente abzumeißeln. Im Übrigen ließ man das edle Bauwerk
in seinem elenden Zustand. Es war über und über schwarz geworden, zum Teil
dick mit Moos bewachsen. Die Bemalung war bis auf geringe, nicht sichtbare
Reste so vollständig verschwunden, daß damals wohl kaum jemand gewußt hatte,
daß der Brunnen einst bemalt und vergoldet war. Alle feineren Teile waren
unkenntlich geworden. Die Gewölbe waren fußhoch mit Schutt bedeckt, die Aus—
flußröhren verstopft, so daß das Regenwasser durch die Gewölbe drang. Der Stein⸗
fraß hatte überhand genommen. Die Eisenstäbe, welche zur Verbindung dienten,
waren verrostet, leisteten also nicht mehr ihre Dienste. Die aus dem Wasser hervor⸗
ragenden, sitzenden Statuen fehlten fast gänzlich. Die anderen waren sehr verstümmelt.
Im Jahre 1818 sah Waagen**) den Brunnen und sagt von ihm: „Dieses Meister—
werk bot den Anblick einer geschwärzten Ruine, deren schiefe Spitze den baldigen
Einsturz drohte.“ Diesem vorzubeugen und ein Unglück zu verhüten, wurde der
Brunnen im Jahre 1816 mit einem Gerüst gestützt. Da die Zimmerleute aber
keine gute Anleitung dafür hatten, beschädigten sie beim Aufstellen desselben Vieles
und brachten es unzweckmäßig an.
Nachdem der UNupferstecher Albert Reindel in seine Vaterstadt zurückgekehrt
und im Jahre 1811 zum Direktor der Nurnberger Maler-Ukademie ernannt worden
war, studierte er eifrigst die älteren Kunstwerke und zeichnete sie. Auch den schönen
Brunnen stellte er auf Grund eigener, sorgfältigster Untersuchungen und mit Hilfe
älterer Ubbildungen in einer großen, kolorierten Zeichnung dar. Dieselbe gab Veran—
lassung, daß auf Antrag des Staatsrates Grafen Drechsel, welchen der für die
*P Auf Veranlassung des derzeitigen Herrn J. Bürgermeisters der Stadt Nürnberg,
Dr. v. Schuh, wurde zur Herstellung einer Nachbildung dieses Brunnens ein Abguß des jetzt im
Schlosse Peterhof bei Petersburg befindlichen Originals angefertigt, welcher in der Katharinenkirche
aufgestellt ist. Die Nachbildung soll in der Mitte des Hauptmarktes zur Aufstellung kommen.
**x) Waagen, Kunstwerke und Künstler in Deutschland. Bd. J. 5. 262.