Metadaten: Stenographischer Bericht der neunten Generalversammlung Deutscher Müller und Mühlen-Interessenten in Nürnberg vom 12. bis 16. August 1876 (9. 1876 (1877))

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mit dem Wasser sei in den tieferen, in den unteren Gegenden der 
Flußläufe. Unser Deichsystem ist im Prinzip falsch, für die Dauer 
unhaltbar und ganz entschieden nur noch als eine Aushilfe in einem 
großen Notstande anzusehen und einstweilen noch beizubehalten. Wenn 
wir früher das Prinzip des Herrn Classen bereits angenommen hätten, 
so würden uns die großen Verluste und viele Unglücksfälle, welche die 
Fehler der Deichanlagen im Gefolge haben, erspart sein. Es ist ein 
Unglück, daß wir in Deutschland noch nicht das Nachtheilige dieses 
Deichsystems genügend eingesehen haben und dasselbe zu verlassen keine 
Anstalt machen. Wir werden entschieden bald, von Jahr zu Jahr 
mehr gezwungen sein, binnen kurz oder lang dieses System zu verlassen. 
Unsere Deiche werden wie die Hochwässer, immer höher, unsere Thäler 
werden immer mehr und mehr angebaut; umso größer sind also auch 
Unglücksfälle bei Deichbrüchen; man weiß aber nicht, wann und wo 
sie eintreten, deshalb muß man immerfort und überall die Deiche er— 
höhen und verstärken. Schließlich wird zufällig oder in Folge von 
Mängeln in den baulichen Anlagen doch ein Unglücksfall entstehen, 
blos wann und wo weiß man nicht, aber je später er entsteht, desto 
größer und entsetzlicher sind die Verluste an Menschenleben Und an 
Gütern, an welchen Jahrhunderte Tausende von Menschen gearbeitet 
haben. Um aus diesem Zustande endlich einmal herauszukommen, 
bleibt nichts anderes übrig als: Weiheranlagen. Herr Classen 
hat Ihnen nach meiner Ueberzeugung ganz richtig vorgehalten, daß die 
Weiheranlagen einen Nutzen geben nicht blos mittelbar als Wasser— 
behälter und Reservoire, sondern auch unmittelbar einen landwirt— 
schaftlichen Nutzen; aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so wird 
uns schon die Deich-Not dazu treiben, Weiher einzurichten. Gewiß 
wird es in sehr vielen Gegenden, wo die Bodenkultur schon bis weit 
hinauf in die Berge gestiegen ist, mit großen Auslagen und Schwie⸗ 
rigkeiten verbunden sein, geeignete, billige und pafsende Stellen für 
Weiher zu finden; indeß wenn man nur eifrig sucht, so findet man 
auch, ich empfehle Ihnen noch einmal dringend ben Gedankeu des 
Herrn Classen und seinen Vortrag zum Nachdenken und zur weiteren 
Verarbeitung. 
van den Wyngaert. Meine Herren! Ich kann Ihnen sofort 
ein Beispiel aus der neueren Zeit vorführen, welches beweist, wie 
leicht manchmal solche Anlagen don Weihern respektiven Wasserbehäl— 
tern durchzuführen sind. In der großen Fabrikstadt Verviers in Vel— 
gien, der ersten belgischen Stadt, welche man beschreitet, wenn man 
von Deutschland mit der Eisenbahn nach Belgien kommt. Dort hat 
man vor zwei Jahren ganz einfach einen Thalkessel durch eine Mauer 
abgesperrt und jenseits der Mauer sammelt man das Wasser, eines 
Gebirgsflusses die Gileppe das bis dahin im raschen Laufe den Berg 
herunter kam. Die Folgen dieses künstliche Bassin welches man da 
gebildet hat, ist so bedeutend, daß man damit umgeht, zirka 1100 
Pferde-Dampfkräfte eingehen zu lassen und dafür das Wasser an 
Stelle der Dampfmaschienen nuͤtzbar zu machen. Meine Herren, solche 
Konfigurationen des Landes finden sich in vielen Fällen vor und, wie
	        
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