Ziehen wir die Summe aus diesen Angaben, so haben
wir einen Fall gefährlichster Unaufrichtigkeit vor uns. Die
feinsten Mittel der Unwahrhaftigkeit, diplomatischer
Falschheit und Verstecktheit stehen dem Schreiber zu
Gebote. Da, trotz starker Schwankungen, außerdem ein
beträchtlicher Grad verstandesmäßiger Kühle vorwaltet,
und da der überwiegende Winkel die innere Schroffheit
und gemütsarme Sprödigkeit des Mannes dartut, steigert
sich die von diesem Charakter ausgehende Gefährlichkeit.
Wohl ist er unentschieden und zerrissen, dann und wann
von unangebrachter Weichheit und Sentimentalität, im
Grunde aber trotz aller Floskeln und auf das Pomphafte
gerichteter Anfangsarkaden ein kalter Rechner und In-
trigant. Man lasse sich nicht durch das Theatralische in
dieser Schrift einfangen. Seine Absichten können keine
guten sein, immerfort zeigt er Interesse, um von seinem
wirklichen Interesse abzulenken; immerfort gibt er Auf-
klärung, um unbemerkt vertuschen zu können. Die feinen,
aber mörderischen Dolchzüge in manchen Anstrichen, am
deutlichsten im Worte Ich (erste Zeile von b) sichtbar,
müssen einen zu schlimmen Befürchtungen drängen. Die
Rachsucht dieses Mannes ist unerbittlich. Daß sich sein
Haß gerade gegen ihm Nahestehende richtet, zeigt die
Zuschmierung des zweiten Grundstriches in M, welcher
meiner Beobachtung gemäß das Verhältnis des Schreibers
zu: ihm nahestehenden Personen ausdrückt. Hinweisen
möchte ich den Kriminalisten ferner auf die Schreibhem-
mung im Worte Beutel (Dokument b, achte Zeile). Viel-
leicht daß diese einen Wink über die Urheberschaft jenes
Gegenstandes und seines Inhaltes (des berühmten Spiegel-
schriftzettels) zu geben imstande ist.
Endlich ist von Belang das affektiv Springende so
mancher Schlußzüge, die so recht die ununterdrückbare
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