Vortrag etwas, aber die Geschichte ist derart erstaunlich,
daß ich sie Ihnen nicht vorenthalten darf,
Versetzen Sie sich bitte wieder in das Jahr 1816. Da-
mals war der Erbprinz von Baden seit vier Jahren ver-
storben oder ebensolange verschwunden, ohne daß man
seinen Aufenthaltsort kannte. In diesem Jahre 1816 nun,
am 23. Oktober, wurde auf dem linken Rheinufer bei
Großkembs, kurz unterhalb Basels, eine Flasche ange-
trieben und von Fischern zufällig gefunden. Sie enthielt
einen in lateinischer Sprache beschriebenen Zettel, der
dann, wohl durch Vermittlung der französischen Ver-
waltungsbehörden, auf schnellstem Wege nach Paris
wanderte und dort bereits am 5. November im Moniteur
veröffentlicht wurde; am 16. November 1816 stand sein
Inhalt schon in der Vossischen Zeitung. Dieser lateinische
Zettel hat folgenden Wortlaut — ich übertrage gleich
jeden Satz und bitte nur, nicht über das wenig klassische
Latein zu erschrecken:
„Cuicunque qui hanc epistolam inveniet‘‘:
An jeden, der diesen Brief finden wird:
„Sum captivus in carcere apud Lauffenburg juxta Rheni
flumen‘‘:
Ich bin gefangen in einem Kerker bei Lauffenburg am
Rheinfluß:
„Meum carcer est subterraneum, nec novit locum ille,
qui nunc solio meo potitus est‘‘:
Mein Kerker ist unterirdisch und nicht kennt den Ort
jener, der sich jetzt meines Thrones bemächtigt hat.
„Non plus possum scribere, quia sedulo et crudeliter
custoditus sum‘“‘:
Mehr kann ich nicht schreiben, weil ich peinlich und grau-
sam bewacht werde.
Ich habe zunächst nach dem offenbaren Wortsinn
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